wortlos...

 

Wortlos griffen ihre gepflegten, schlanken Finger zum Füllhalter. 

Langsam, fast träumerisch schreibt sie ihren Namen auf das Blatt. Dort, wo eine punktierte Linie  fordernd darauf wartet, eine Entscheidung, eine im Kopf bereits ausgeführte Tat in die Realität zu gebären. 

Eine Entscheidung, die unwiderruflich ist. 

Still. Still, bitte! 

 

Die Tinte fliesst gleichmässig in elegantem, dunklem Blau aus der goldenen Spitze des kunstvoll gravierten  Schreibgerätes. Blau / Gold, welch königliche Kombination. Kulturen wurden mit Blau / Gold aufgebaut und zerstört. Leben geboren und getötet.

Nur Blau / Gold. 

Wortlos. 

 

Jedes, ja selbst jedes geflüsterte Wort würde zu einem ohrenbetäubenden Schrei mutieren. 

Würde alles zerstören, alles in Frage stellen.

Bitte,  Still ! 

 

Die Schlinge am Ende des Namens gelang ihr nicht. Sie sah es irritiert. 

Immer war ihre Unterschrift wie ein Denkmal. Ein Wert. 

Was war los mit ihr? 

Die Entscheidung war längst gefallen. Existentiell. Du oder ich! 

Was nützen da noch Gedanken, die den Kopf zu sprengen drohen. 

Keine Worte mehr. Bitte keine Worte. 

 

Wie schnell , wie überraschend schnell dazu verdammt. 

Plötzlich war Krieg. 

Gestern noch eingebettet in ein friedliches Leben und jetzt ein Kampf auf Leben und Tod. 

Und doch, wie banal. Hatte sie doch alle Trümpfe in der Hand. Stand sie doch jetzt schon als Gewinnerin fest. 

 

Sie hat wieder eine Entscheidung getroffen. Sie hat entschieden! 

Sich durchgesetzt im Kampf gegen den Agressor. 

Den Angreifer, der ihr Leben verändern will. 

Ihr Lebenskonzept in Frage stellt. 

Sie von ihrer erkämpften Position in der Männerwelt wegdrängen will. 

Sie selbst hat sich dorthin gebracht. Alles gegeben, um alles zu beweisen. 

Alles? Ja, auch ihr Frau – Sein. 

 

Und jetzt? 

Sie hatte keine andere Wahl. Wollte keine andere Wahl. 

Der Stärkere frisst den Schwächeren. Das sind die Spielregeln. Und diesen muss auch sie sich beugen.  Sogar sie!

 

Den Punkt hinter ihrem Namen machte sie noch nie. 

Sie setzte ihn wie einen Stich mit dem Damendegen. 

Nicht wie ein flüchtiger Streich im Gefecht. 

Ein Schlag, der, aus dem Kampf heraus, sein Ziel trifft und den Gegner in die Defensive drängt. 

Nein!

Präzise und langsam.

Diesen Punkt setzte sie wie einen Stich, der ganz entschieden und sicher geführt wird. 

Gleich einem Schlussakkord, der das Ende einer Hinrichtung veranschaulicht. 

Ja, sterben musst du, wirst du! 

Durch diesen Punkt. Blau / Gold.

 

Ihr seltsam ruhiger Blick richtet sich auf den, sehr kultiviert wirkenden, alten Mann, der ihr das Formular aus den Händen nimmt. 

Zärtlich lächelnd hebt er ihren Arm und drängt sie sanft, beinahe beschützend, in das angrenzende weisse Zimmer. 

Wortlos verliert sich ihr Blick in seinem braungebrannten Gesicht. 

Benommen lässt sie ihr Kleid auf den Boden gleiten. Dort liegt es nun, gleich einer Woge Blütenblätter, die knisternd am Fuß des Baumstammes verweilt, bis der Wind sie weitertreibt. 

 

Verletzlich und doch ganz entschlossen wirkt sie, als sie den dünnen, schwarzen Slip über ihren Knöchel zieht. Beinahe die Balance verliert. 

Dann legt sie sich völlig nackt vor ihn.  Wartet auf ihn, der mit ruhigen Schritten auf sie zugeht. Wortlos. 

 

Ein Beben wallt über ihren Körper. Mit geschlossenen Augen fühlt sie, ganz deutlich, sein Gesicht über ihrem Schoß. 

Sein Atem verliert sich in ihrem zarten Flaum wie ein kostbares Parfum. Wortlos drängt er, ganz langsam aber doch beherrschend, ihre Schenkel auseinander. 

Widerstandslos überlässt sie ihm ihren Körper. 

 

Schon verspürt sie die Wärme eines Traumes, der sie in eine Welt verführt, in der die Nebel alle Realität in sich aufzulösen vermögen. Friedlich und geborgen. 

Sie sinkt in einen Ohnmachtszustand, entschläft völlig, noch bevor er mit einem brutalen Stoss in ihren Unterleib eindringt. 

 

Der Feind ist besiegt! 

 

Ein kurzer furchtbarer Kampf mit einem Gegner, der sich nicht zur Wehr setzt.

Kein Schrei, kein Wort. 

Nur ein sterbender, in mehrere Stücke zerfetzter Körper plumpst in das bereitgestellte Metallbecken. 

 

Dort, ein Händchen. Mann kann ganz deutlich die Finger erkennen. Da, ein Köpfchen, noch nicht schön genug, wird weggeräumt.

Hier, die Siegerin. Blutverschmiert und friedlich schlummernd.

 

Ein Krieg tobt vor unserer Tür.  

Ein leiser Krieg, ein stiller Tod.

 

Der Sieg?  Wortlos.