Die neue Partei.

 

 

„...und es wird alles besser!”

 

Die Meisten klatschen Applaus, viele rufen „Bravo”! Manche sehen skeptisch zu ihm hinauf. Das Podest ist geschmückt, Kinder überreichen ihm Blumen. Hohe Würdenträger des Ortes ehren ihn augendienerisch, leise, in gebückter Haltung hervorgebrachte Loyalitätsbezeugungen.

Er genießt es sichtlich. Scheinbar überwältigt, weist die Huldigungen bescheiden zurück. Langsam geht er durch die Menschenmenge zum Hubschrauber. Flüstert leise immer wieder seinen Schlußsatz. „... wird alles besser, ... alles besser!”

„Wer's glaubt.” Der Vater - seit 5 Jahren pensioniert - lehnt vorsichtig seinen schmerzenden Rücken in den Fernsehstuhl. Legt die Fernbedienung zur Seite. 

„Natürlich! Ihr Alten seid ja immer und grundsätzlich dagegen!” Karl ärgert sich sichtlich. „Ihr seid ja Sozialschmarotzer! Wir müssen unseren Rücken krumm machen, schinden uns das ganze Jahr über, und, was bleibt uns?” „Ihr Pensionisten, werdet immer mehr und immer älter, und wir schuften dafür!” „Die neue Partei führt uns aus dieser verfahrenen Situation heraus!”  „Wenn diese Wahlen vorbei sind, dann...” 

„Was dann?” „Man hat ja ohnehin das Gefühl daß es nur mehr um die Parteien geht, nicht um die Menschen, die sie vertreten sollen!” „Und was soll überhaupt dieser Name: die neue Partei?”

„Das ist es ja! So etwas ist noch nie dagewesen. Und doch. Jeder kann sich mit ihrem Programm identifizieren.” „ Die Interessen aller, bis jetzt aktiven Parteien, sind zusammengefaßt, komprimiert und optimiert.” „Keine Arbeitslosen, weniger Steuern, eigene Währung, super Altenbetreuung!” 

Mit rotem Kopf, wild gestikulierend, erklärt Karl: „Die aus der Arbeitswelt ausgegliederten Alten, geben ihre Autos ab - das ergibt fünfzig Prozent weniger Unfälle und Folgekosten für die Krankenkassen- und gehen in die Heime. Arbeitslose werden umgeschult und betreuen sie dort rund um die Uhr. Wenn einer nicht arbeiten will, bekommt er keine Unterstützung. Die Pensionen werden direkt an die Heime überwiesen, die Alten brauchen ja kein Geld mehr!” „Sie bekommen einen Senjorenausweis. Damit dürfen  sie alle Angebote aus Kunst, Kultur, und allerlei Unterhaltungs- und natürlich die Verkehrsmittel gratis genießen.”  „Ist doch toll, nicht?”

„Wohnungen werden frei, Familien entlastet, Arbeitsplätze geschaffen.” Oder noch genialer. „Kinderhorte die rund um die Uhr geöffnet sind. Welche Chance für moderne, karrierebewußte Mütter?” „Sie können jederzeit arbeiten, weil sie die Kinder in sehr guter Obhut wissen.” „Speziell ausgebildete Kindergärtnerinnen übernehmen die Verantwortung für Charakterbildung und Förderung der Begabung der Babys und Kinder. Wer könnte das wohl besser?” „So können durch gezielte Erziehung, speziell geförderte Kinder, auf sich ständig ändernde Markt-, Gesellschafts- und Lebenssituationen vorbereitet werden.” „Die tun sich dann im Berufsleben leichter, sind automatisch erfolgreicher. Der Staat ist produktiver, er definiert je nach Bedarf die Schulungsziele.” „Eltern hätten schon gar keine Möglichkeit große Erziehungsfehler zu machen, und können - dieser Verantwortung enthoben - die Freizeit, mit ihren Kindern unbeschwert und froh genießen. Das wirkt sich dahingehend aus, daß die Kinder glücklicher, und somit gesünder sind

” Dadurch boomt die Freizeitindustrie, massenweiser Bedarf an Arbeitsplätzen in der Dienstleistungsbranche...”

Der Vater schüttelt den Kopf. „Und das glauben die Leute?” „Das wollen sie?” 

Donnernd schlägt Karl mit der flachen Hand auf den Artikel der Tageszeitung. „Sechzig Prozent, sagt das Meinungsforschungsinstitut!” „Fast alle arbeitenden, produktiven Menschen.” „Wir werden gewinnen!” 

„Ja, aber die Infrastruktur? Die Investitionen?” „Woher wollen die das ganze Geld...?” Gibt der Vater zu Bedenken.

„Ach das Geld, es wird einfach gedruckt!” „Hat doch ohnehin nur symbolischen Wert.” „Ein Mittel zum Zweck und zur Machtausübung.” „Wenn der Staat Geld benötigt, druckt er es eben.” „Vergibt Aufträge, Firmen bekommen gut bezahlte Arbeit, können Inländer zu guten Konditionen einstellen. Die sind dann auch viel besser motiviert, die wiederum, haben einen besseren Lebensstandard, was wieder der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe zugute kommt.” „Ein optimaler Kreislauf!” „Arbeit gibt es ja auch jetzt schon genug. Das Problem ist daß die Firmen zu wenig Geld haben um Leute einzustellen. In Zukunft, wird Geld einfach gedruckt!” „Jubel!” „Man munkelt, daß er ein gewaltiges Denkmahl vorbereitet hat?” „Für die Feier nach der Wahl.”

„Wie heißt denn diese Partei eigentlich?” Fragt Mutter, einen schweren Topf Kraut aus der Küche tragend. „Sind doch auch nur solche Weltverbesserer.”

„Ach, halt du dich da raus! Du hast von Politik ja wirklich keine Ahnung.” „Wie sie heißen?” „Das kannst du nach der Wahl auf dem Denkmahl lesen!” Karl schreit daß es in dem ganzen Haus dröhnt. „Ihr werdet noch staunen.”

„Werd ich nicht.” „Meine Stimme werden diese Spinner nicht bekommen.” Der Vater spricht ganz leise, während er zum Fenster hinaus schaut. 

„Die wird er auch nicht brauchen!” Karl schlägt schreiend die Tür hinter sich ins Schloß. Noch auf seinem Arbeitsweg ärgert er sich über die „alten Trottel”, die sich jeder Neuerung und Verbesserung der Lebenssituation der produktiven Bevölkerung aus reiner Bosheit, Neid und Besserwisserei entgegenstellen. Und dann noch die Beamten. “Dieser K&K schwangere Wasserkopf.” „Nach der Wahl wird alles besser!”

Der Vater sitzt tief zusammengesunken in seinem Fernsehstuhl. Wieder ein Fernsehwochenende. Wieder!

Karl arbeitet in der Samstags- Sonntagschicht. „Wird besser bezahlt.” Seine Frau, ist gerade im Ausland. „Für diese Superfirma”. Ja, sie verdient wirklich gut. Weit mehr als Karl. Für Kinder ist jetzt kein Platz im Lebenskonzept. Und Vaters Augen werden immer kleiner. „Eigentlich, bin ich ja eh schon tot!” Denkt er sich. Und, ganz weit weg, unscharf noch, sieht er ein Denkmahl. 

Menschen feiern ausgelassen, prosten sich zu. Das Denkmahl? Es ist schön! Glänzt als ob es aus reinem Gold währe. Auf dem Sockel aus schwarzem Marmor steht, ein Wahlspruch? Schwer zu erkennen. Ein Name? In goldenen Buchstaben. Ganz leise ließt er:

 

Ich, meiner, mir, mich!