Tirol, Vinschgau, Bodensee, Schwarzwald, Holland, Hamburg, Berlin, Dresden, Regensburg

 

Ich erzähl euch gerne von unserer Tour über den Vinschgau, Bodensee, Schwarzwald, Stuttgart, Frankfurt, Wuppertal, Holland, Norden, Bremen, Hamburg, Berlin, Dresden und wieder nach hause.

 

Wie freuten wir uns auf diese Reise! Die erste große Tour mit meiner TDM 900. Eva fuhr eine Honda CBF 600. Matteo durfte als Teenager noch hinter dem Papa Platz nehmen und gemeinsam schafften wir es problemlos, die Brave TDM gründlich zu überladen. Geeignetes Gewand für 33°C in Italien und alle erwarteten Wetterkapriolen im Norden. Für 2 Personen, für 3 Wochen! Das erforderte gute Planung. Eva reichte ihr TopCase und der Tankrucksack. 

 

Als neues TDM-Forum Mitglied bot ich im Jahr 2010 natürlich an, das TDM-Treffen "AT-10" zu organisieren und zu leiten. Dieses wird jährlich in Anlehnung an den Feiertag am 15. August abgehalten. Mein Angebot wurde wohlwollend und gerne angenommen.

Aus Gründen die man unter dem Thema "Sonnen- und Wettersicherheit" zusammenfassen kann, entschied ich mich für den Vinschgau in Südtirol. Wurde uns ja von den Italienern "gestohlen" und somit gilt es ja noch ein wenig als Tirol. 

Tatsächlich verspricht die Wetterstatistik in dem Gebiet, über 300 Sonnentage jährlich. Damit kann Nordtirol leider nicht ansatzweise konkurrieren. Die spezielle Lage zwischen den Ötztaler Alpen und dem Ortlermassiv bietet effektiven Schutz gegen Schlechtwetterfronten. Diese werden, vom Westen kommend, meist Richtung Österreich oder weiter runter nach Norditalien abgedrängt. Auch als Ausgangspunkt für herrliche Motorradtouren auf die interessanten Pässe wie Timmelsjoch, Stelvio, Gavia, Umbrail, krönen dieses Gebiet. Und dann noch die meist deutsch sprechenden, freundlichen "Ureinwohner". Besser geht es kaum. Über die "Königin der Alpenstraßen", die zweithöchste asphaltierte Passstraße der europäischen Alpen und die großartigen Pässe drum herum, erzähle ich euch in einem eigenen Thema. 

Also, Planung abgeschlossen und Start abgewartet. Endlich geht es los und zu meiner Freude haben sich viele TDMler angemeldet. Erster Treffpunkt war ein Hotel im Umfeld meines Wohnortes. Dort trafen dann im Laufe des Tages 17 Personen ein. Einige, aus der Nähe von Graz, wollten erst im Vinschgau zu uns stoßen um die kürzere Strecke über den Süden zu nutzen. 

Natürlich war es spannend, so viele Leute kennen zu lernen die mit mir das selbe Hobby teilen und auch das tolle Wetter freute mich sehr. War das doch immer ein unkalkulierbares Risiko in Nordtirol. Bei herrlichem Sonnenschein konnte man sich beschnuppern  und bei einem feinen Spaziergang durch die Kundler Klamm kennen lernen und Hunger ansparen. 

 

 

Nach dem gemeinsamen Abendessen wurde noch rasch über die Abfahrt am nächsten Morgen gesprochen und die nötigen Entscheidungen kommuniziert.

Verständlicherweise war ich nervös und gespannt ob wohl Alles so klappen wird wie ich das geplant hatte. Erstmals soll es auf der Römerstrasse über den Brenner gehen. Diese Straße war - für mich überraschend - nur wenigen Anwesenden bekannt und bietet eine sehr gute Alternative zur stark befahrenen Brenner - Bundesstrasse. Gilt es doch, eine Kolonne mit 17 Motorrädern durch das verkehrsreiche Inntal zu manövrieren. 

 

Nach dem obligaten Tankstopp wählte ich die Anfahrt bis Volders über die B171, welche um diese frühe Morgenstunde noch erträglich belebt war und ich die Gruppe somit schnell auf die Abzweigung nach Tulfes brachte. Dort wird es schmäler und Abseits der Hauptverbindungsstrasse auch ruhiger. Weiter über die feine Römerstrasse durch Patsch, Innerellenbögen und Pfons nach Matrei am Brenner. Diese Strecke ist besonders schön. Lehnt sich die schmale Straße doch genüsslich an die Ostseite des Tales und lässt dich majestätisch runter blicken auf den hektischen Verkehr auf der Brenner- Autobahn und -Bundesstrasse. Wunderbar schlängelt sich die kleine Straße durch Dörflein und Waldstücke um dich immer wieder staunen zu lassen über die Weite der Berge. 

Erst in Matrei komm man wieder auf die Brenner Bundesstrasse und muss sich einfügen in den ewigen Verkehr Richtung Italien. Wohnmobile, Wohnwagenkolonnen, Busse. Alles Fahrzeuge die auf der Autobahn deutlich besser und schneller weiter kommen könnten.

Ich frag mich immer wieder. Könnte ich einen Urlaub genießen wenn ich schon bereit sein muss, wegen ein paar Euro Maut, solche Mühen auf mich zu nehmen und als rollendes Hindernis die Nebenstraßen zu blockieren? 

 

Endlich noch das Nadelöhr auf dem Brenner, inclusive Stau wegen dem beliebten, samstäglichen Brennermarkt, und schon geht es runter nach Sterzing ( Vipiteno ).

Sterzing ist ein feines, kleines Städchen welches ein wenig die Geschichte dieses gebeutelten Landes schnuppern lässt. Mopeds am Hauptplatz aufgereiht und ausschwärmen in die Fußgängerzone der historischen Altstadt. Fein die Füße zu vertreten und einen Kaffee zu schlürfen. Alles schmeckt hier schon anders. 

 

Noch nicht ganz italienisch aber auch nicht mehr österreichisch.

Die Leute sprechen zu zu achzig Prozent Deutsch. Oder, besser gesagt, Süd Tirolerisch. Nur die Jungen fühlen sich manchmal schon eher als Italiener. Genießen aber gerne die Vorteile der "Quasi Autonomie". 

Noch fein "geneunert" ( Brotzeit gemacht, eine Jause genossen ) und schon treffen wir uns zur vereinbarten Zeit bei den Maschinen. Ich teile die Gruppe in zwei Hälften. Die schnellen und die gemütlichen Fahrer. Bald sind die Chefs bestimmt und die flotten Jungs verschwinden motiviert hinter den Gassen. Ich führe die ruhigere Gruppe dann Richtung Südwest, über den etwa 2.100 m hohen Jaufenpass nach St. Leonhard im Passeiertal. 

Der Jaufenpass ist wohl einer meiner Lieblingspässe hier in der Gegend. Tornanti an Tornanti ( ital. Kehre ) bringen dich hoch über die umliegenden Berge und lassen dich staunen. Keine bösen Kurven, keine Strassen baulichen Fallen die dich vom Bock reißen  wollen. Mit ein wenig Geschick und Konzentration lässt sich dieser Streckenabschnitt sehr genießen. Einzig die allgegenwärtigen Fahrradfahrer sind auch hier der Meinung, dass die Bergstrassen für sie alleine gebaut wurden und mich wundert immer wieder, welches Risiko sie bewusst dabei eingehen, partout nich von der Straßenmitte weichen zu wollen. Das gibt harte Bremsmanöver und manchmal auch Schlimmeres. 

Oben angekommen verliebst du dich in den grandiosen Rundblick. 

Das fruchtbare, duftende Passeiertal führt uns, vorbei an Dorf- und Schloß TYROL, der Geburtsstätte Tirol's, runter nach Meran und ja, es wird deutlich wärmer. 

Kurz vor Meran warten die vorangestürmten Jungs auf uns und so kann ich die geschlossene Gruppe pünktlich in das rechtzeitig reservierte Gasthaus lenken. 

Die Motorräder in Reih und Glied aufgestellt und ab in den schattigen Innenhof bei unserer freundlichen Wirtin. Direkt in der berühmten Bogengasse, im Herzen der historischen Altstadt. 

Hier kannst du relaxt durch die Schatten spendenden Bögen schlendern und den interessanten Mix an historischen und modernen Geschäften genießen. Oder ein feiner Caffee, ein Gelato?  

 

Gepäck und Ausrüstungsgegenstände durften wir - wie schon vorab vereinbart - in einem Extrazimmer versperren um die Hände frei zu haben für das feine regionale Essen und die anschließende Wanderung durch das schöne Städchen am Flüsschen Passirio. 

 

So, raus aus dem verstopften Meran geht es nun mit der gestärkten Meute und durch den verkehrsreichen Vinschgau nach Laas.  Diese Strasse ist generell überfüllt. Verbindet sie doch Meran direkt mit der Schweiz und ist daher sehr frequentiert. Aber das Ziel ist nahe und daher schaffen wir auch das, mit Vorfreude auf unsere Wahlheimat der nächsten 2 Tage. 

 

Alternativ gäbe es eine schmale Panoramastrasse am Südhang der Ötztaler Alpen, diese wollte ich aber nicht mit so einer großen Gruppe befahren. Von dieser wunderbaren Strecke erzähle ich euch etwas später, in einem anderen Bericht. 

 

Endlich in Laas angekommen, wird sofort am Ortseingang getankt und der Gasthof zur Sonne im Ortskern erobert. Die große Scheune direkt am Hotel schluckt unsere braven Mopeds und da die einladenden Tische ja nur 10 Schritte entfernt bereit stehen, wird das erste Getränk natürlich als offizielles "Garagenbier" anerkannt. War das ein feines Ankommen! 

Im Schatten des dichten Baumes, mitten am gemütlichen Dorfplatz. Herrlich! 

Ja, ich war froh und erleichtert, dass ich offensichtlich niemanden enttäuscht habe mit der ersten Tour und dem würdigen Tagesziel. 

Laas ist - neben der Wein- und Apfelproduktion bekannt für den Abbau des edlen, weißen Marmors der in seiner Reinheit fast an Porzellan erinnert und daher von der weltweiten Künstlerschaft sehr geschätzt wird. Die Abbrüche und Reste werden auch im Strassenbau und zur Verschönerung des Ortes verwendet. Wie edel wirkt es, wenn du hier sitzt und die Ecken der Fußwege, die Zebrastreifen, die Gehsteige, die Brunnen, leuchten wegen des überschwänglich eingesetzten, weißen Marmors. Die allgegenwärtige Sonne bringt Alles zum Strahlen. Und das freut mich um so mehr. War sie doch sowohl Namensgeber unseres Gasthofes, als auch Garant für mein schlau geplantes Wetterkonzept für das TDM-Österreich Treffen. 

 

03:30h AM. Plitsch, platsch, draussen vor dem Fenster. ich will meinen Ohren nicht trauen. Das gibt es doch nicht! Es wird doch nicht ausgerechnet dieses Wochenende regnen! Augenblicklich liege ich hellwach im Bett in welches ich erst vor gut 2 Stunden ermüdet und satt, gesunken war. Bitte kein Regen! Was mache ich denn nun? In meinem Kopf rotieren Gedanken und Sorgen. 

An Schlafen ist augenblicklich nicht mehr zu denken. Ich hirne alle Alternativen durch. Zwei Touren sind geplant. Eine flott gefahrene "Böse Jungs Tour" unter der Leitung eines erfahrenen Freundes, die über das Stilfserjoch in die Schweiz und wieder zurück, führt und als Alternative für die gemütlichen Biker unter uns, die relaxte "Blümchenpflücker Tour". Diese darf ich guiden und bin schon sehr aufgeregt. 

Sie soll vorbei am Reschensee Richtung Kaunertal führen. Dann rüber nach Nordtirol und über das Timmelsjoch zurück nach Laas. Nur das Plätschern vor dem Fenster macht mich fast verrückt. Aber was kann ich jetzt machen? 

Natürlich haben erfahrene Tourenfahrer keine Angst vor Regen. Natürlich geht es bei Treffen dieser Größenordnung nicht nur um fahrdynamische Gustostückerln. Der Schwerpunkt liegt dabei eher im Genießen der Gemeinschaft und das Kennenlernen neuer, unbekannter Gegenden. Aber wie jeder von uns weiß, ist es ungleich schöner, bei herrlichem, ungetrübtem Sonnenschein. Was mach ich nur? Vielleicht ist es ja nur ein kurzer Schauer?! 05:30 AM.! Verzweifeln und sich sorgen nützt mir jetzt auch nicht. Wetterbericht bekomm ich im Moment auch keinen. Mein neuer Plan, ich schau mal aus dem Fenster! Knarrend schwenkte ich einen Flügel nach draussen.

 

Was ich jetzt sah machte mich nur noch staunen. Seit 2 Stunden liege ich nervös und hell wach im Bett und lausche genervt dem romantischen Plätschern des Dorfbrunnens unter meinem Fenster. Bei sternklarer Nacht!

Beim Frühstück unter wärmender Morgensonne war ich glücklich und müde. 

 

Nachdem der Großteil der Lebensgeister wieder in den zugehörigen Menschen Platz genommen hatten, sammelten sich die zwei Gruppen hinter ihren Guides und starteten froh in einen herrlichen, weil sonnigen, Tourentag. 

 

 

Am Reschensee vorbei geht es über den gleichnamigen Pass, Richtung Landeck. 

Immer wieder zieht dich der Blick auf den Kirchturm magisch an. Diese skurrile Erscheinung fesselt mich. Geschichten über unglückliche Familien und herzzerreißende Schicksale füllen meinen Kopf und lassen mich nicht los. 

Nein, da hat kein Depp eine Kirche in den See gebaut sondern ein Anderer, der Hr. Mussolini, das ganze Tal hier in Graun geflutet um es als Speicher zur Stromerzeugung nutzen zu können. 163 Häuser wurden dafür gesprengt und 70 Prozent der dort lebenden Bevölkerung wanderte ab oder aus. Nur der Kirchturm wurde aus Gründen des Denkmalschutzes und als Wahrzeichen, im See belassen. 

 

Die nächsten Kurven fegen die traurigen Gedanken aus den Hirnwindungen und bringen uns über den Reschenpass zurück nach Österreich. In Prutz geht es dann rechts weg Richtung Kaunertal und dem Gletscher selbigen Namens. 

Schon bald, leicht zu übersehen, scharf Links auf die Kauner Landesstrasse abgebogen und nun geht es steil bergauf über den Kaunerberg zur Pillerhöhe. 

 

Beeindruckend, wie sich die schmale Straße hoch windet und dir einen Blick auf das Inntal schenkt der dich unweigerlich zum Halten und Verweilen zwingt. Die Ruhe und die gesunde Distanz zum Trubel im Tal erfreuen mein Herz immer wieder wenn ich hier oben stehe. Ich spüre dankbar, wie gut es mir geht. Welches Vorrecht, in einem schönen, gesunden und friedlichen Land leben zu dürfen. Auch wenn ich selbst, nichts Großartiges dazu beigetragen habe. Unverdiente Gnade für mich, aber harte Arbeit und entbehrungsreiches Leben für unsere Eltern u. Großeltern. Die Generationen die Österreich nach dem Krieg zu dem gemacht haben was es heute ist. 

 

Das sind Die Leute welche heute von augenblickserfolgreichen Krawattenständern gerne missbilligend als rentnerischer Klotz am Bein bezeichnet werden. Mein Opa, würde er noch leben, würde sich sicherlich wundern, warum ihnen damals an der Norwegischen Front und Gefangenschaft und in den harten Jahrzehnten des Wiederaufbaues, keine BurnOut - Seminare angeboten wurden. Und eines weiß ich ganz sicher. Mein friedliebender, fleißiger Opa hat nur ganz leise "Heil Hitler" gerufen. Grade mal so laut wie man musste. 

 

Ich reiße mich los und untertourig rolle ich durch schattige Waldstücke. Vorbei an interessiert grüßenden Kühen und Pferden und durch abwechslungsreiche Almen und  Kurvenlandschaften. Ruhig und gelassen. Dieses Gebiet würde dich schnell als Dummkopf entlarven, würdest du hier, einem Rennfahrer gleich, durchheizen. 

In Wenns entscheide ich mich für einen kleinen Umweg um dieses Gefühl von entschleunigtem, genussvollem Motorradwandern noch ein wenig länger zu genießen. 

Darum biege ich nach Rechts ab und weiter geht es über den romantischen Mühlbach nach Jerzens und Richtung Osten, raus nach Arzl im Pitztal. Eine feine, Vielen unbekannte Strecke. 

In Arzl machen wir eine größere Pause. Nicht nur der Geist, nein, auch Blase und Magen brauchen Nahrung. Im fröhlichem Gespräch wird diese erste Tageshälfte verarbeitet und dauerhaft abgespeichert. Auch der Spaß mit einem Freund der dankbar den Ratschlag annahm, seinen, zum ersten Mal verwendeten Goretex Anzug auf die nun mittlerweile gegen 35°C angestiegene Lufttemperatur abzustimmen. Lüftungsschlitze, was?! 

Er begann seine Motorradkarriere gerade auf dieser Tour und wusste nicht, dass dieses Goretex-Fließ und der fein wärmende Steppjacke und -Hose auch entfernt werden könnte. Niemand dachte auch nur im Traum daran, dass Einer, der mit hochpreisig ausgestatteter Oberklasse Maschine anrollt, nicht über seine Ausrüstung Bescheid weiß. Das war natürlich sehr unterhaltsam. Und lehrreich! Sehr unterhaltsam! 

 

 

Ein flotter Rutscher über die Tiroler Bundesstrasse bringt unsere gefüllten Bäuche in das nahe, touristische Ötztal und Richtung Süden, rauf, nach Hochgurgl. Hier wird es richtig spannend. 

Gilt es doch, das 2.500 m hohe Timmelsjoch zu überqueren. Serpentine um Serpentine steigst du rauf bis zur Mautstation. Hier ist die Luft wieder kühler und rein. Über das Timmelsjoch schreibe ich euch etwas später mehr. Los geht es nach Italien! 

Der Blick auf die mächtigen Berge der Ötztaler Alpen beeindruckt schon sehr, aber die Kurven vor uns rufen und locken wie damals die griechische Sirenen. Dagegen sind wir machtlos und stürzen uns übermütig und lustvoll runter. Herrlich, wie du den Grip spürst, der warme Asphalt, dein weicher Reifen. Volles Vertrauen auf dein gutes Motorrad lässt dich nachhaltigen Spaß erleben. 

Auch Matteo genoss auf dem Rücksitz die wilde Hetze runter nach St. Leonhard im Passeiertal. Ja, genau an den freundlichen Ort der uns gestern vom Jaufenpass kommend, herzlich auffing. 

Die restliche Strecke war uns nun bekannt und wir rollten, der Kurven und Bilder satt, wieder durch den Vinschgau zurück, nach Laas. Unserem schattigen Gastgarten entgegen, wo uns die "Wilde Jungs Gang" schon von weitem zuprostete. Auch sie freuten sich über einen feinen Tag und erzählten uns von allerlei Schönem und Erlebtem. In der schattigen Tenne knistern abkühlende Moped's und fast sieht es so aus, als ob sie die müden Scheinwerfer ein wenig schließen wollten. 

Die fleißigen Wirtsleute krönen unseren Tag mit einem feudalen, mehr gängigen Menü aus traditionellen, Südtiroler Gaumenfreuden. Mir ist rundum wohl und mit einem verzeihenden Blick auf den unschuldig weißen Dorfbrunnen weiß ich, heute schlafe ich garantiert besser! Plätscher, Plätscher ...

 

Am Morgen danach springe ich gestärkt und voller Reiselust aus meinem Bett.

Jetzt starten wir zu unserer Familientour! 

Abgefallen ist die Verantwortung, einer großen Gruppe zu dienen und die Bemühung den Motorradfreunden eine schöne Zeit zu schenken. Alles ist gut gegangen, niemand hat Schaden erlitten und auch unsere Wirtsleute gaben mir positives Feedback. "Da haben sie ja eine harmonische und friedliche Truppe gebracht. Alles wurde bezahlt und Alles war gut". Das freute auch mich!

 

Nach dem Frühstück winkten wir uns noch gegenseitig zu und wünschten uns gute Heim- oder Weiterfahrt. Über Schluderns und das Münstertal geht es in der kühlen Morgensonne auf den fein zu fahrenden Ofenpass ( CH ) und weiter auf den Flüelapass. Wieder im Tal zieht es uns nach Liechtenstein und in Vaduz wird eine Pause vereinbart. Jetzt ist mir bewusst wie fein und entspannt das Fahren mit nur zwei Motorrädern ist. Keine Schlange hinter dir. Kein Spähen ob noch Alle da sind. Ob sich diese Grünphase an der Kreuzung noch ausgeht. Ob das Tempo zu schnell oder zu langsam ist. Ob dieser Parkplatz für die Gruppe geeignet ist. Ob das Lokal mit dem schönen Gastgarten auch genügend Freiluftsitzplätze anbietet. Biker sitzen eben gerne im Freien. Ob noch Jeder genug Sprit im Tank hat und wenn nicht, wie binde ich die nächste Tankstelle harmonisch in die Tour ein. 

 

Oh ja, so schön es ist Freunde zu treffen und tolle Zeit mit ihnen zu verbringen, aber die Arbeit eines Guides ist schon fordernd. Jetzt aber genug gejammert. 

 

Schnell flüchten wir entlang der Schweizer Grenze, auf die Ostseite des Bodensees.  

Preise haben die in FL und CH, dass du dir überlegst ob du dort Kaffee und Kuchen, oder in Österreich ein Wochenende genießen willst. Ok, ich bin sicher Keiner der den Euro zwei mal umdreht bevor er ihn ausgibt. Aber diese Preise sind oft nicht nachvollziehbar. 

 

Der Verkehr entlang des See's ist dicht und die Sonne unterstützt uns tatkräftig beim Entschlacken der Haut. Bis Friedrichshafen schaffen wir es noch locker und schon haben wir das zuvor gebuchte Hotel erreicht. Moped's im Hinterhof gesichert, Zimmer bezogen und die Schlacke vom Körper geduscht. 

 

Draußen wird es auch schon kühler und wir spazieren runter zum See um in Bestform daran entlang zu prominieren. 

 

Wir finden einen feinen Gastgarten und genießen den Moment, guten Wein und den Bodensee-Fisch der noch heute Morgen nicht im Traum daran dachte, dass wir ihn schon so bald kennen lernen würden. 

 

Nach kühlendem Abendspaziergang und ruhiger Nacht, starten wir gestärkt in den Schwarzwald. In St. Georgen machen wir Pause und freuen uns über diese schöne Strecke. Meinem Navi sagte ich, dass es nur die kurvenreichen Nebenstrassen suchen soll und das macht es auch brav. Der Schwarzwald ist eine tolle Möglichkeit, durch schattige Wälder und feine Landschaften zu kurven und doch gute Tagesleistungen zu schaffen. So erreichten wir gut gelaunt unser geplantes Tagesziel, Karlsruhe. Das Burgau Hotel, schon zuhause gebucht, fanden wir dank Hr. Garmin's künstlicher Intelligenz und Weltoffenheit sehr gut und bald rollten wir auf den Parkplatz im Innenhof. Welche Begrüßung! 

Eine freundliche, junge Frau kam lächelnd auf uns zu und wusste, "Ihr müsst die Fam. Schmidt sein, herzlich willkommen!". Ja, auf dem Parkplatz! "Kommt mal in Ruhe an, lasst euch genügend Zeit, soll ich euch mit dem Gepäck helfen?" Wir waren paff. Deutsche sind im eigenen Land offensichtlich anders als im Touristenmodus. Ein Satz aus dem Mund eines Albanischen Bauers fällt mir dazu ein: "Der Stein wiegt schwerer im eigenen Land". Wie oft schmunzeln Österreicher über ständig nörgelnde, chronisch unzufriedene Feriengäste aus unserem nördlichen Nachbarland. Was wir allerdings bisher auf unserer Reise erlebten, sprach eine ganz andere Sprache. Bisher hatten wir es nur mit symphatischen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen zu tun. Hans Peter Kuhlenkampf formulierte das einmal so: "Der intelligenteste Mensch in meinem Bekanntenkreis ist mein Schneider. Der nimmt jedes mal wenn wir uns treffen, neu Maß".  Auch wir sind gerne bereit, dazu zu lernen. 

 

Die Geschichte dieses Hotels ist schon sehr speziell. Das erfuhren wir bald aus dem Mund der Frau, welche sich so herzlich um uns kümmerte. Der Gründer - wenn ich mich noch richtig erinnere - hegte schon immer den Wunsch ein eigenes, feines Hotel zu besitzen.  Selbst kam er allerdings aus einer ganz anderen Branche. Seinen Lebenswunsch realisierte er im fortgeschrittenen Alter mit einer jungen, motivierten Mannschaft welche ihm bald sehr ans Herz gewachsen war. Leider starb er schon sehr bald und übertrug vor seinem Tod die Eigentumsrechte auf seine Mitarbeiter. Diese waren nun gemeinsam "der Chef" und freuen sich über erfolgreiches Arbeiten. 

Tatsächlich sollte es dem Hotel gut gehen denn egal wann ich auf meinen Touren mal in der Nähe war, spontan bekam ich nie mehr die Möglichkeit, dieses besondere Haus zu genießen. Eine Gasse weiter hielt die Strassenbahn und brachte uns in die belebte Innenstadt. Unser Aufenthalt beschränkte sich allerdings auf die Suche nach einem Restaurant und nach dem Verdauungsspaziergang war es auch schon Zeit für das Bett. Morgen wollen wir fit sein für die Tour nach Stuttgart und Frankfurt. 

 

Aufbruch im Regen! An sich kein besonderes Problem, aber auch nicht die Wunschvorstellung einer gemütlichen Landpartie. Da wir schnell in die trockene Garage bei Porsche's flüchten wollten, wählten wir Durchzugsstrassen. Stunden hinter gischtsprühenden LKW zu fahren kostet Nerven und Konzentration. 

Aber auch das schafften wir problemlos und sahen bald runter auf Stuttgart. Der Regen verabschiedete sich und das drängte uns an einen Aussichtspunkt an den Weinbergen zu fahren und dieses schöne Bild auf uns wirken zu lassen. Ja, ja, Landkartenleser sehen mehr!

 

So, nun aber runter nach Zuffenhausen, zur Stadt gewordenen Edel Produktionsstätte, in der wohl unbestritten, ihr wisst sicher schon, das beste Österreichische Auto gebaut wird. 

Ja da staunt ihr! Die Österreicher haben den Porsche in Kärnten entwickelt, konstruiert und den Prototypen gebaut. Danach entschied man sich ins billig produzierende Ausland aus zu weichen. Wie man es heutzutage auch mit den Asiatischen Produktionsländern so macht. Man beobachte respektvoll den Weitblick der damaligen Österreicher. 

 

So klingt zumindest meine persönliche Version. 

 

Eines gebe ich allerdings zu. Wäre die Familie Porsche damals nicht nach Deutschland gegangen wäre die Marke wahrscheinlich nicht die, welche sie heute ist. Wahrscheinlich gäbe es aber eine wunderschöne PORSCHE - Kernöhl Mühle oder Sauerkrautpresse. Ich jedenfalls bin begeisterter PORSCHE Fan und kann kaum erwarten runter zu fahren und einzutauchen in diese faszinierende Welt des Automobilen Motorsport's. 

 

In der Tiefgarage des Porschemuseums angelangt schälten wir uns aus den nassen Motorradklamotten die wir achtlos über unsere Moped's und an nahe Lüftungsschächte hängten. Wer hier, unter dem Geist dieses Hauses, nasses Mopedgewand stielt, der braucht das wohl dringender als wir und dem hätten wir schon vorauseilend verziehen. 

In Zivilkleidung stürmen wir die Kasse und mein internationaler Presseausweis verschaffte uns armen Ösi's günstigen Eintritt. Unsere Augen strahlten und völlig euphorisch wanderten wir stundenlang durch die Welt dieser elitären Autoschmiede. 

 

Jetzt aber raus aus dem schönen Stuttgart! Noch wartet eine dreieinhalbstündige Motorradtour nach Frankfurt auf uns. Warum Frankfurt? Keine Ahnung. In Filmen schaut der Ort immer nach echter Stadt aus. Mit allen positiven und negativen Facetten. 

Da ich schon als Grundschüler, selbstständig durch Graz stolperte und als junger Erwachsener sehr gerne in Wien lebte, zieht es mich immer wieder in das Urbane. In so eine Stadt eintauchen, sich darin treiben lassen. Ich genieß es immer wieder. Wo ich jetzt lebe werden Nachmittags um 6 Uhr von der Dorfverwaltung die Gehsteige hoch geklappt und die Nachtruhe ausgerufen. Ehrlich, wenn ich nicht gerade auf Tour bin, freue ich mich, dass mir die Arbeit nicht ausgeht. 

Unsere Ausrüstung war mittlerweile trocken und vollzählig und bald spuckte uns der Bauch des  imposant designten PORSCHE Museums auf die Straße. 

Die Sonne strahlte uns ins Visier und schon ging es raus durch den Odenwald, Frankfurt entgegen. Als die Skyline der Stadt auftauchte wussten wir uns am nahen Ziel. Noch schnell den Main überquert und schon rollen wir in die Tiefgarage des Excelsior-Hotel's, direkt am Bahnhof. Was isst man nun in Frankfurt? Natürlich die Frankfotter Grie Soß mit Kartoffeln und Ei. Spannend! 

Matteo war, wie auch ich, begeistert von den vielen, sündteuren PS-Orchestern die uns virtuos mit großen Acht- und Zwölfzylinder-Synfonien verzauberten. Gerne erinnern wir uns heute noch daran wie es druckvoll aus den Gassen röhrte und polterte. Allerdings verrieten die Gesichter der Fahrer nicht, dass sie sich mit uns freuten. 

Oder muss man seine Freude verbergen, wenn man sich solche Autos, Apartments, Anzüge und vorzeigbare "Freunde" leisten kann? Ich versteh eben noch nicht Alles. 

Auch hier wollten wir uns nur eine Nacht aufhalten und darum war dieses Hotel sehr gut geeignet. Zentrums nah, sichere Tiefgarage für Maschinen und Krempel, gute Qualität und Ausstattung, frühes Frühstück. Wir staunten nicht schlecht als uns der Kellner erklärte, dass gerade Ramadan sei und die zugehörigen Kultur- und Religionsgruppen sich noch vor Sonnenaufgang am feudalen Frühstücksbuffet mit Kaviar, Champus und weiteren luxuriösen Nahrungs- und Ergämzungsmitteln laben wollen. "Danach würde das Fasten für die streng Gläubigen, etwas leichter zu ertragen sein!" 

Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und speisten opulent, frühest morgens in wohl erlauchtem Kreise. Was, Champagner? 

Na ja. Mancher war sich wohl ziemlich sicher, dass Allah gerade in Bagdad zu beschäftigt sei und somit kein Auge für Frankfurt frei hat. 

Als dann auch die Sonne die letzten Mondkrümelreste aus ihren verschlafenen Augen rieb, saßen wir schon fast auf unseren Motorrädern. Die Morgenstunde schenkte uns neben vollen Bäuchen auch leere Straßen und so war es einfach, flott raus, Richtung Taunusgebirge zu flüchten. Wir haben einiges gelernt in Frankfurt! 

Dass viel Geld nicht augenscheinlich glücklich macht. Dass Grüne Sauce nicht Jedem schmeckt. Dass Allah ...

Wir waren jedenfalls bereit von anderen Menschen und Kulturen zu lernen, beschlossen mit gutem Beispiel voran zu gehen und das Fastengebot bis zum nächsten Essen strickt ein zu halten. Ausnahmslos! 

 

Die Tour durch den Taunus war sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Endlich wieder ein paar Hügel und Kurven. Mit Dauergrinsen im Gesicht wedeln wir durch dieses schöne Gebiet. Hier ändert sich die Motorraddichte auffallend. Besonders viele Holländer begleiten uns durch die Kurven. Das entfacht unsere Sehnsucht, endlich unsere Freunde in Leiden ( NL ) wieder zu sehen. Das Ziel der heutigen Tour und der nächsten Tage. Aber noch zielen wir Richtung Wuppertal. Diese verkehrt montierte Strassenbahn wollen wir uns kurz ansehen, fein Essen und ab an die Holländische Küste. 

 

In Wuppertal angekommen suchen wir das Restaurant "Kornmühle". Da es direkt unter der Bahn ruht, kann man beide Neugieren gleichzeitig stillen. Dachte man.

Leider erfahren wir, dass die Bahn zu Revisionsarbeiten stillgelegt war und somit nicht beobachtet werden kann. Aber das Restaurant entschädigte uns mit phantasievollem Menü und freundlichen Menschen die sich um unsere Bedürfnisse kümmerten. Trotz Motorradkluft, die zugegeben, hier nicht ganz die übliche Garderobe darstellte.

Dieses Restaurant zeigte mir mein treuer Fernseher in einer Koch Sendung. Die Herzlichkeit des Chef-Ehepaars, die Leidenschaft mit der hier gekocht und gedient wurde, das wollte ich am eigenen Leib spüren wenn mich meine Reiselust mal in diese Ecke treibt. 

Ich erzählte der Chefin warum wir hier waren und sofort zeigte sie uns mit Freude das schöne Haus. Sogar die Küche durften wir besuchen wo uns die Küchenmannschaft herzlich begrüßte. Leider erfuhr ich einige Jahre später, dass das Restaurant nicht mehr geöffnet sei.

Sehr schade für die feinen Menschen die wir dort treffen durften. Schade auch für die Genießer und Freunde dieses menschlichen Restaurants. Vielleicht war es ja für die heutige Zeit, zu menschlich. 

 

So, genug geruht! Los geht es Richtung Ziel, nach Leiden an der holländischen Küste. 

Hr. Garmin riet uns zu 2,5 Stunden Autobahnfahrt und wir nahmen seinen Rat wegen der vorgerückten Zeit dankbar an. So konnten wir flott und relaxt, schon am Nachmittag in den Armen unserer lieben Freunde liegen. In Österreich gilt man ja schon als Vorsatzverbrecher, wenn man auf der Autobahn 150 Km/h voran rast! Am Abgrund physischer Grenzen und Todesnähe. Weil unsere Strassen so schlecht sind? Weil wir Österreicher unsere Führerscheine in Lotterien gewinnen? Nein!

 

Weil wir Österreicher sind! 

Wir zahlen Mineralölsteuer zur Erhaltung unserer unbestritten, guten Strassen. 

Die Regierung zahlt unser Aller Geld auch an die Strassen Betreiberfirma ASFINAG, damit diese die oben genannten Straßen wartet. Die ASFINAG verlangt von uns, dass wir zur Benutzung der selben Strassen um über 80,- EURO ihre Vignette kaufen. Die Regierung knöpft uns braven Österreichern dann auch noch zur Erhaltung der selben Strassen die Normverbrauchsabgabe ( NOVA ) ab. Diese wird noch mit 20% Mehrwertsteuer veredelt und dient natürlich der Erhaltung der selben, oben mehrfach erwähnten Strassen. Ja, du hörst richtig! Eine Steuer auf eine Abgabe! Ja, das geht sehr gut in Österreich! Denn schon unsere Bundeshymne deklariert uns als - "Land der Hämmer"!

 

Darum bezahle ich bei mir daheim, Viertausend EURO mehr für mein aktuell gefahrenes, japanisches Moped als in Deutschland. "Heimat bist du geduldger Söhne, gut bezahltes Österreich!"

 

 

Aber jetzt, Gas aufgedreht und "mal kucken was passiert"! 

 

100 Km/h, 150 Km/h, 180 Km/h, nichts passiert. 210 Km/h mit Matteo, Seitenkoffern, Topcase, Tankrucksack und meiner Wendigkeit auf dem Bock. Aber die brave TDM machte nichts was ich nicht von ihr erwarte. Stur geradeaus und unbeirrbar pfeilte sie auf der weithin eingesehenen, freien Fahrspur dahin, der Nordsee entgegen. Dieses Moped kann einfach Alles. Kein nervöses Flattern, kein Ziehen. Also lautet meine Formel, Top Preis Leistung gleich TDM!  Ein Hoch dem japanischen Fahrzeugbau. Übrigens fahre ich aus Überzeugung auch TOYOTA. 

 

So sieht das aus an der Nordsee. Darauf waren wir vorbereitet und darauf freuten wir uns auch. Irgendwie wären wir enttäuscht gewesen, hätten uns 35°C in den Schatten gedrängt. Die steife Brise und das beeindruckende Meer faszinierten uns sehr.  Das ist mal was Anderes als das südländisch ruhende Mittelmeer. 

Jetzt noch das feine Van der Valk Hotel gefunden, eingecheckt und nach dem Frischmachen sind wir bereit für unsere Freunde, die schon an der Türe scharren. 

Sie leben direkt in Leiden und natürlich haben sie schon allerlei kulinarische Leckereien vorbereitet. Lecker, lecker!

Zuvor wollen wir aber noch ein wenig Meerluft schnuppern.

Christiaan beugt sich noch einige Sekunden über seinen Wetterbericht und weiß, in 15 Minuten regnet es hier und dort nicht. Danach regnet es dort aber nicht da. Wir waren beeindruckt. Bei uns in Tirol regnet es diese Woche hier und nächste Woche auch. Scheiß Nordstaulage! Sofort bemerkten wir, dass Niederländer am- und mit dem Wasser leben. Woran man das erkennt? 

 

Die Wenigsten benutzen Schirme! Bei unseren Besichtigungen sahen wir Einheimische die einfach nass wurden und Touristen die sich unter Schirmen zu schirmen suchten. 

Wenn es zu toll wurde ging der relaxte Holländer eben auf einen Kaffee in den Coffeeshop. Oder was man dort eben genoss. Uns beeindruckte sehr mit welcher Gelassenheit sie den Regen eben als Teil ihres Tages erlebten und akzeptierten. Und dazwischen scheint ja doch wieder die wärmende Sonne. Wir fühlten uns gut unterhalten in dieser fremden Lebensart und Kultur. 

Der Künstlerin in Den Haag war es egal wenn du Wasserpfützen in ihrem Atelier verteiltest. Es war spannend zu zu sehen, wie sie mit dem Handwinkelschleifer Figuren aus dem Eisentrumm wachsen ließ. Unsere Neugier freute sie. Großartig!

 

Wir stöberten im Schutze Christiaans Ortskenntnis weiter durch Den Haag und waren verzaubert von den sauberen, gepflegten Gassen und Gebäuden. Besonders die alten Häuser mit ihren großen Fenstern zogen mich in ihren Bann. Anders als bei uns an den Alpen, wo alte Häuser der Schneelast und der Eiswinde zum Trotz, nur mit Gucklöchern ausgestattet waren. 

 

Wir schlendern im Sonnenschein vorbei am Internationalen Strafgerichtshof an dessen Schatten spendender Mauer ich gerne einen herzlichen Gruß rauf gesendet hätte zu Radovan Karadzic, den Schlächter von Srebrenica. 

"He du Arsch, hast dir dein Ende wohl eine Spur glorreicher vorgestellt!"

 

Wieder ermöglicht uns die Sonne einen Besuch am Strand. Der grandiose Blick vom Aussichtsturm und das feine Caf'e erfreuten uns. 

Heißer Kakao, tolle Bilder und vertrauensvolle Gespräche besänftigen mich wieder und langsam zieht es uns in die wohlig warme Stube im Haus unserer Freunde. 

Denn, es regnete natürlich wieder. 

 

 

Zur Einstimmung auf unsere Tage in Holland bereitete uns Inge eine traumhafte Fischlasagne die Matteo das Blut in den Adern gefrieren ließ. Denn wenn es Essen gibt welches ihm ganz sicher nicht schmeckt, ist das Fisch. Schnell zauberte die verständnisvolle Gastgeberin eine schmackhafte Alternative und wir genossen Matteos Fisch-Portion mit. Müde spazierten wir spät Abends in das Hotel und schliefen tief und satt. 

 

Das Frühstück haute uns echt weg! Welche Vielfalt, welche Opulenz? 

Unfassbar welche Auswahl. Ein 10 m langes Buffet präsentierte mehr als das Herz begehrt und vier Menschen warteten dahinter in der offenen Küche, um noch größere Wünsche zu erfüllen. Ehrlich, ich war beinahe überfordert. Der gemütliche Fensterplatz entführte den Blick immer wieder raus auf den Kanal mit den ruhig vor sich dahin schaukelnden Booten. Wir waren bereit für Amsterdam. 

 

 

Unsere Freunde holten uns ab und gemeinsam ging es zum Bahnhof. Per Zug enterten wir die Stadt und diese Entscheidung war gut. Fahrräder hatten wir ja nicht dabei. Wahrscheinlich hätten wir sie in dieser Stadt auch nie mehr gefunden. Seht euch das an!

 

Schon lange bin ich begeistert von den heraus ragenden Ingenieurleistungen die Holland zu dem machen was es ist. Diese Menschen schaffen es, ihr Land dem Meer ab zu ringen. Hier stehen wir trockenen Fußes, zwei Meter unter dem Meeresspiegel. So viele intelligente Lösungen prägen auch die Menschen. Selbstbewusst, laut, freundlich, echt, geradeaus. 

So würde ich die Niederländer bezeichnen die ich bisher kennen lernte. Natürlich kann man nicht verallgemeinern, ich spreche aber von meinen eigenen Erfahrungen. Weiter wallen wir durch diese aussergewöhnliche Stadt und sammeln Bilder im Kopf. Klischeehafte und überraschende. Amsterdam hat schon eine ganz besondere Ausstrahlung. Besonders für mich, der sich sehr gerne am Wasser aufhält. Venedig ist daher ganz klar, eine meiner Lieblingsstädte. Jetzt staunte ich nicht schlecht als ich lernte, dass Amsterdam gänzlich auf Holzkonstruktionen steht wogegen Venedig "nur" durch Holzbau und Brücken verbundene Inseln gebildet wird. 

 

Was es aber hier Alles zu entdecken gibt. Historische Windmühlen die nicht, wie ich immer annahm, zum Korn mahlen verwendet wurden sondern mit Windkraft bewegt, als Pumpstationen dienten die das Land trocken hielten. Krachten die ein dichtes Wasserwege Netz bildeten und das Boot neben dem Fahrrad zum top Verkehrsmittel machte. Ach ja, da war wieder unsere Wiederholungspanne! Unser Aussichtsboot hatte plötzlich einen Motorschaden und wir mussten mitten in einem Kanal auf ein Anderes klettern. In Venedig crashten wir mal mit einer Gondel gegen einen zu schnell einbiegenden Lastkahn und unser Gondoliere schaffte es gerade noch, uns trocken ab zu setzen bevor sich das verbogene Boot mit Wasser voll soff. In Lissabon hatten wir eine Panne mit der historischen Strassenbahn Nr. 8! 

Was soll man davon halten? Jetzt wisst ihr auch warum ich niemals einen touristischen Städterundflug buchen werde. 

 

 

Bleiben wir in Amsterdam. Auch hier erlebt man Überraschendes! Wieder festen Boden unter den Füßen schlendern wir durch das Bahnhofsviertel. Vorbei an Läden mit allerlei Leckereien und Verlockungen. War das ein Staunen als Matteo bemerkte, dass viele der  offenherzigen Schaufenster Puppen aus Fleisch und Blut waren. Sehr leckere freundlich winkende Dekoration. Schnell weg hier!  

Lust auf  eine Holländische Pizza?

 

Das haben wir auch noch nicht gesehen! Pfannenkuchenhaus nennt sich die Alternative zur Pizzeria und bietet mehr als die italienische Variante. Zu Tonno- als Vorspeise und Diavolo- als Hauptspeise gesellt sich noch der Marmeladen-Pannekoeken als süßer Abschluss. Der würde bei uns in Österreich Palatschinke heißen. 

Was man hier so Alles entdecken kann! Sehr kreativ, die Holländer! Beeindruckt bestaunten wir auch versteckte Hofjes, welche schon im Mittelalter, verteilt auf die ganze Innenstadt gebaut wurden um Arbeitern von wohlhabenden Händlern und Produzenten sowie alleinstehenden Frauen günstigen Wohnraum sowie ungestörte Oasen der Ruhe und Gemeinschaft bieten zu können. Erreichbar durch unauffällige Türen in unscheinbaren Häuserfronten. Unfassbar! 

Eine kleine Tür, ein kleiner Schritt und du findest dich in einer "anderen Welt". 

 

 

Wüsstest du nicht was sich da im Innenhof verbirgt, du müsstest achtlos daran vorbeigehen. 

 

Weiter schlendern wir durch die Altstadt denn unser nächstes Ziel ist das Haus welches durch eine andere holländische Geschichte zu trauriger Berühmtheit gelangte. Das Anne Frank Haus. Furchtbar, was sich hier im Hinterhaus abgespielt hat und unverdeckt offenbart, was im Menschen schlummert. Aber nicht nur die aus Deutschland geflüchtete Jüdin Anne, auch eine gebürtige Holländerin und Christin kämpfte in der Zeit des Naziwahns für Menschenliebe und Gerechtigkeit. Auch ihre Familie versteckte zahlreiche verfolgte Juden in ihrem Haus, wurde verraten und in das Konzentrationslager verschleppt, welches sie aber überleben durfte. Nach Kriegsende setzte sie ihre ganze Kraft für die Überlebenden dieser beschämenden Zeit ein. Bis zu ihrem Tod war das Wort "Vergebung" der Antrieb ihres Optimismus. 

 

Sich sorgen nimmt dem Morgen nichts von seinem Leid, aber es raubt dem Heute die Kraft. 

 

( Corrie ten Boom )

 

So lange ist das noch gar nicht her, dass viele dieser Menschen gejagt, gefangen wurden und auf unmenschliche Weise ihr Leben verloren. Ja, es ist traurige, geschichtlich bewiesene Gewissheit, dass der Mensch, sei er auch noch so intelligent, nicht mit Macht und Verehrung umgehen kann. Ja, versagen muss! Es sei denn, er nützt seine Intelligenz zur Erreichung von Weisheit. Weisheit die der Menschheit dient. Die erkennt, dass Egoismus nur zerstört und tötet. Wie viel einfacher hab ich es da als praktizierender Christ zu wissen, dass ich selbst nicht so wichtig bin. 

"Aller Weisheit Anfang ist die Furcht Gottes" ( Ps. 111.10 ). Ich spreche dabei aber nicht von Religionen und deren Organisationen. Deren Ziel ist es vordergründig, Menschen auszubeuten!  

 

 

Bauliche Gegensätze, bitte sehr! Hausboote wohin du blickst. Blumengeschmückt oder nüchtern. Romantisch oder modern.

Je nach Freude der Bewohner. 

Langsam wird es Zeit sich von dieser schönen Stadt und ihren Menschen zu trennen und bald besteigen wir den Zug nach Leiden. Hätten wir doch mehr Zeit. So Vieles gäbe es noch zu entdecken. Unsere Zeit ist aber sehr begrenzt und darum heißt es Abschied nehmen. 

 

Das Reisefieber hat uns wieder gepackt und unsere Freunde gaben uns vor der herzlichen Verabschiedung noch  wertvolle Ratschläge zur Weiterfahrt und unsere frisch gewaschene und gebügelte Wäsche. Wie dankbar wir doch waren und froh über erlebte Freundschaft.  

 

Als treuer ARTE - Seher entdeckte ich vor Jahren einen Bericht über die genialen  technischen Lösungen Holländischer Bauleute, Architekten und Techniker. 

Der ständige Kampf gegen die hereinstürmende Nordsee, die Sicherung der Küste gegen die mächtigen Wassermassen. Das fordert Phantasie und Können. Der etwa 28 Kilometer lange Damm zwischen Den Oever und Zurich in Süd Friesland, ist ein interessantes Beispiel. Er trägt die Autobahn und schneidet die Nordsee  in zwei Teile. 

 

Das wilde Nordmeer zur einen- das beruhigte "Binnenmeer" zur Küstenseite. 

Der nötige Ausgleich wird mit komplizierten "Schwenktoren" realisiert. Das wollte ich unbedingt erleben! Wir fuhren über eine Autobahn und schauen auf dunklblaues Meer auf der einen- und hellblaues Meer auf der anderen Schulterseite. Wie fremd und beeindruckend. 

Aber, wo bleibt unser Regen! 

Natürlich ließ der nicht lange auf sich warten!

Just in dem Moment als wir diese Aussichtsplattform verließen und wieder auf der Bahn rollten setzte ein Regen ein wie ich ihn noch nie erlebte. Aus heiterem Himmel. Tropfen in  gefühlter "Eiergröße"! Unfassbar wie das Wasser auf uns niederstürzte. Der Lärm am Helm und die Energie die sich auf unsere Handschuhe und Körper entlud machte uns nur noch Staunen und wir waren uns anfangs nicht sicher ob das Regen oder Hagel war. Sicht Null!

 

Am Ende des Dammes breitete eine Tankstelle wohlwollend ihr Flugdach über uns und wir waren sehr froh, im Trockenen abwarten zu können bis der Himmel wieder seine Schleusen dichtete. War das eine Aufregung! 

Fünfzehn Minuten später schien die Sonne und wir fuhren weiter, Richtung Norden. 

Vorbei an Groningen und dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer rollten wir durch die Ems Auen, vorbei an Emden und dem "Südteil des Großen Meeres" Richtung Norden. Vom Norddeich aus konnten wir rüber sehen auf die Inseln Juist und Nordeney. Der warme, kräftige Wind hatte unsere Ausrüstung längst wieder getrocknet und wir genossen die Sicht auf das Meer. 

 

Boote, Surfbretter, Drachen. Es war ein buntes Ensemble an Freizeitaktivisten die uns hier köstlich unterhielten. Sehr lustig war es zu beobachten, wie die etwas ungeübteren Kitesurver immer wieder von ihren Drachen fortgerissen wurden. 

 

Wobei es den Drachen offensichtlich sehr wichtig war, den Menschen der sie da gerade "bändigte" vor seinen Beobachtern, nachhaltig lächerlich zu machen. Egal ob zu Wasser oder zu Land.

Fröhlich erreichten wir nach dieser wohltuenden Pause das Hotel direkt in der  Fußgängerzone. 

Unsicher rollten wir durch interessiert blickende Menschentrauben und doch, das war schon richtig so. Wir durften das. Das Hotel überraschte uns mit einem großen, überdachten Parkplatz im Innenhof und einem Zimmer das uns nur noch staunen ließ. 

Ein Zimmer? Nein. Zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer eine Küche, Bad und WC getrennt. Und das um EUR 85,- im August! Dazu noch freundliche Mitarbeiter und persönliche Begrüßung durch den Chef der sich ehrlich wunderte, dass eine Österreichische Familie mit dem Moped bis zu ihm gefunden hatte. Das imponierte ihm sichtlich. Wir aber verstanden die Welt nicht mehr. Als Wahltiroler kannst du angesichts der vorgefundenen Ferienwohnung und des ehrlichen Willkommens nur noch ungläubig den Kopf schütteln und verstehst ein wenig mehr, warum Deutsche Touristen bei uns manchmal nicht richtig in Urlaubslaune kommen können. Wir aber umso mehr! 

Uns geht es richtig gut! Nach ausgiebiger Erfrischung starten wir neugierig unseren Rundgang durch den schönen Ort. Nun erfuhren wir auch den Grund für die gut gelaunten Menschenmassen. Besser geht es nicht!  Oder wie man hier zu sagen pflegt: "Besser ist das, du". Ein Stadtfest ruft die Leute aus ihren Wohnstätten und lockt sie auf den Marktplatz und umliegende Flächen. Hütte an Bude reiht sich und präsentiert seine Nordischen Spezialitäten. 

Vieles kennen wir nur von Tatort- und Werner Beinhart Filmen und sind bereit ein zu tauchen in diese für uns doch exotische Welt der Krabbenbrötchen, Matjes und Wumken. 

Für Matteo fanden wir zum Glück eine Bude mit asiatischen Leckereien. Tag gerettet! 

Es wurde spät, sehr spät! Ohne allzu große Berührungsängste näherten wir uns den angeblich wortkargen, kühlen Nordlichtern und fanden nur freundliche, offene, humorvolle und interessierte Menschen. Weißt du wie man Optimismus beschreibt? Optimismus ist das Wissen, dass selbst aus einem kleinen Getreidekorn einmal ein großes Fass Bier entstehen kann. Ja, Bier trinken sie auch hier. 

 

Kühl, herb, viel! Ich konnte zum Glück eine Zeit lang Schritt halten. Ich danke der großen Österreichischen Bierkultur! Unser schönes Appartement konnten wir diese Nacht nur sehr kurz genießen. Das könnte durchaus auch der Grund für den günstigen Preis gewesen sein? Ein ungelöstes Rätsel. 

 

Das reichhaltige Frühstück stabilisierte uns wieder auf unseren Maschinen und Hr. Garmin lotste uns über Bremen Richtung Hamburg. Noch ein kleiner Spaziergang in der schönen Bremer Altstadt und dann ging es los.   

 

 

Schon ein interessantes Gefühl, in einem Tunnel unter der Elbe durch zu fahren und zu  wissen, dass da oben gerade mächtige Passagierschiffe und monumentale Frachter über dich und dein Moped drüber kuttern. Rein nach St. Pauli und am Jungfernstieg den Seitenständer raus. Wie cool ist denn diese Stadt?! Das Treiben der Menschen. Die Binnenalster, die Galerie mit Blick zum "Michel".  Die Speicherstadt! Die Elbphilharmonie!

 

Das hat recht wenig mit Hans Albers Romantik zu tun. Das ist modern und zeitlos. Da greifen Epochen ineinander. Und doch riechst du den historischen Seemanns Schweiß. Siehst Trauriges mit Fröhlichem abklatschen und erkennst langsam, womit man es zu tun hat wenn man Deutschland sagt. Fremd teilweise, dann wieder beruhigend. Wie unterschiedlich wir uns doch gerne sind. Dieses zelebrierte Selbstbewusstsein. Dieses "Sicher, Recht zu haben". Dieses "natürlich geht es nicht ohne meine Meinung". Wie nervig und wie hilfreich oft. Wie anders ist doch gerne die Österreichische Seele. Nicht oberflächlich aber meist auch nicht das Optimum anstrebend. Gemütlicher eben. Österreicher können auch viel früher mal Fünfe grade sein lassen. 

 

Mit gesunder Ignoranz haben wir schon so manche Krise überwunden. Die häufig angewandte Antwort: "Passt schon" sagt nicht wirklich aus, dass es passt, sondern, dass man auch so zufrieden sein kann. 

Ein weiser Beobachter schrieb einmal: "Was Deutsche und Österreicher am meisten trennt, ist ihre gemeinsame Sprache". So unterschiedlich und so ähnlich wir uns auch sind. Ein Beispiel? Gerne! Wenn ich für eine große Tour oder ein Treffen in Österreich ein T-Shirt entwerfe und im Forum anbiete, bekomme ich Bestellungen von 95 Prozent der Österreichischen Teilnehmer. Nicht weil ich der große Designer bin, sondern "weils schon so passt". Nach dem Preis fragt keiner. Ausser wenn sich Deutsche nördlich der Weißwurstgrenze zur Tour anmelden. Da müsste ich den Preis, die Farbe, das Thema, die Aussage und was weiß ich noch Alles diskutieren. Und zwar mit jedem einzeln! Wer eines will soll eines bestellen, wer nicht, der nicht, denke ich mir. Wenn die Stückzahl für den besseren Preis gerade nicht erreicht wurde sagten mir manche österreichischen Mopedfreunde, dann bestell mir eben 2 Stück. Das ist österreichisch! Wenn ich das jährliche Prozedere in einem vergleichbaren Deutschen Forum beobachte, bin ich immer wieder amüsiert wie viel Zeit vergeht bis endlich die Farbwahl entschieden werden kann. Denn Jeder weiß, dass ohne seine persönliche Meinung nichts Gutes dabei raus kommen kann! Die Spitze der Weisheit ist der Rat Vieler! Genau das macht doch die Qualität Deutschlands und vieler seiner Menschen aus. Wie Mühsam und zerstörerisch das auch sein kann. Auf diese Reise zu gehen, war wohl eine der wertvollsten und lehrreichsten Entscheidungen. Ich verbeuge mich ehrlich. Und sonst, "passt schon!"

 

 

Wir lassen uns treiben und staunen über die emotionale Buntheit dieser Stadt. Die harten Kontraste, die Konsequenz. Städtebaulich und sozial. Ach hätten wir doch mehr Zeit. Würden wir doch jemanden kennen in dieser Stadt um nicht als oberflächliche Touris umher wabern zu müssen. Ich hoffe sehr, dass ich irgendwann wiederkommen darf um mehr Hamburg zu erleben. 

 

Noch ein Kaffee, noch eine kleine Stärkung und dann müssen wir weiter. Die Zeit drängt. Der Himmel arbeitet nachdrücklich daran uns auch noch das berühmte Hamburger Schietwetter präsentieren zu dürfen. Na dann, nichts wie los. Unsere lieben Freunde in Hannover warten schon mit Sehnsucht und glühenden Herdplatten. 

 

Quer durch die Lüneburger Heide führt unsere Flucht vor den dunklen Wolkenmassen. Das haben wir schlau gemacht. Einfach nur schneller fahren als der Wind und bald lassen wir unsere braven Moped's friedlich in der milden Lüneburger Heide grasen. Ein Bild hat mich von Weitem gefesselt. Auf einem Hügel steht ein Hirte in wallendem Mantel. Er stützt sich auf einen langen Stock und sein breitkrempiger Hut schützt ihn vor dem Wetter. Etwa hundert Meter entfernt grast in einem Hügeltal, eine Herde Heidschnucken. Ruhig und fast regungslos dirigiert der Hirte seine drei Hunde die längst zu verlängerten Händen geworden sind. Schnell, wild, sanft, drängend, drohend, schützend. Aber immer wieder Rat und Nähe beim Hirten suchend. Nur ein paar Augenblicke an sein Bein schmiegen. In seine ruhigen, festen Augen blicken. Ganz kurz seine liebkosende Hand spüren, riechen. Das gibt erneut Freude, Kraft und Herz für die mühevolle Arbeit mit den ungehorsamen Schafen. 

Welch ein Vorbild. Welch ein Zeig auf einen perfekten Vater. Unverrückbar, liebevoll, sicher, weise. Welch ein Bild auf meinen Gott.

Jetzt ist mir der Regen auch egal! Soll er uns doch einholen. Der Hirte ist stärker und mit seiner Kraft machen wir uns auf den Weg nach Hannover.  

Direkt in den Innenhof eines Hauses, im wohl schönsten Stadtteil. Direkt am Stadtwald gelegen. Unsere Ausrüstung tropft im Wäschekeller vor sich hin und herzlich umarmt genießen wir die Ankunft bei unseren Freunden. Auf der Türe unseres "Gästezimmers" prangt ein Schild mit der Aufschrift: "Österreichisches Privat Konsulat".

 

Konsuls würdig, war auch das feine Essen und all die Annehmlichkeiten die sich die Freunde zu unserem Wohl einfallen ließen. Stadtbesichtigung mit viel Insiderwissen, Reden, Feiern, sich mögen. Vertrautheit die das Herz gewinnt. Bei jedem Besuch bedauere ich, dass Hannover solch katastrophale Kriegsschäden hinnehmen musste. Die historische Altstadt, reduziert auf ein paar Gassen die erahnen lassen wie schön es hier mal war. Was mich aber immer wieder fesselt ist, dass du quer durch den Wald in das Stadtzentrum einer Fünfhunderttausend Einwohner Stadt spazieren kannst. Das Naherholungsgebiet mitten in der Stadt. 

 

Wie sollte es anders sein als preussisch geregelt? Schnelle Asphaltbahn für eilige Radfahrer. Parallel dazu eine Schotterbahn für gemütliche Radfahrer. Daneben, Schotterbahn für Wanderer. Aber wehe dir ...! 

Spielplätze. Rastplätze. Hier, eine Gruppe junger Mütter die sich im Kreise ihrer  Kinderwägen zur gemeinsamen Gymnastik treffen. Im Gepäcknetz, Tüten mit Kuchen und Thermoskannen. Großartig. Einzigartig! 

 

Sehr besuchens wert fanden wir auch das Neue Rathaus, welches eher Schloss als Amtsstube, in den Jahren 1901 bis 1913 fein in den zehn Hektar großen Maschpark eingebettet wurde. 

 

 

Der Aufzug trägt dich hoch in den Turm, denn von dort kannst du den Blick wunderbar über den Park und die Stadt schweifen lassen. 

 

Das letzte gemeinsame Abendessen mit unseren Freunden weist gedanklich schon den Weg Richtung Osten und Wehmut und Vorfreude auf Neues schaffen melancholische Stimmung. 

 

Die Morgensonne beleuchtet den reich gedeckten Frühstückstisch und will uns gefühlt Mut machen, uns von den Lieben los zu reißen und nach diesen schönen Tagen wieder auf unsren Moped's Platz zu nehmen. Bald sind die winkenden Hände aus den Augenwinkeln verschwunden und die Spannung hat uns wieder im Griff.

 

Raus aus der Stadt und rein in das "Gemüse". Kleine Nebenstrassen führen uns durch die, zynisch "Dunkeldeutschland" bezeichneten, ehemaligen Ostdeutschen Lande. Wie unwürdig dieser Ausdruck doch ist wenn man die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen dagegen anstürmen lässt. Beim Mittagessen in Stendal wurden wir verwöhnt wie Freunde. Echte, fachlich gute, handgemachte Leckereien aus Topf und Pfanne. Backwaren die echter, Portionen die größer noch nicht erlebt wurden. Und das zu Preisen die uns gar erschämten. Erlebte Freude und Neugier. Woher kommt ihr denn? Wie sieht es denn da aus? Was, so hohe Berge! Was führt euch denn bis zu uns? Als wir satt und zufrieden auf unsere Motorräder stiegen wussten wir Alles! Geschichtliches und Aktuelles aus Familie und Bekanntschaft. Wie angenehm und natürlich der Mensch doch sein kann. 

 

Weiter geht die Reise über ehemalige Panzerstrassen im Kopfsteinformat. Ein Rat unserer letzten Gastgeber. Entlang des Vogelschutzgebietes, vorbei an Seen und Wäldern. Schnell spürt man die Katastrophe der Trennung und der sozialistischen Zwangsbeglückung. 

Gut gemeint Marx Karli! Niemand braucht Andere zu beneiden. Alle sitzen im selben Boot. Jeder zieht ein wenig in die selbe Richtung und schon läuft der Wagen mit frohen, ausgeglichenen und glücklichen Bürgern. Alle sind gleich, nur manche eben, ein wenig gleicher. Funktioniert leider nicht mit Menschen. Funktioniert ja nicht einmal unter Tieren!

Egoismus ist der wahre Feind des Guten. 

 

 

Auf dieser Strasse spüren wir die Härte dieser Zeit. Emotional und physisch! Selbst bei mäßig flotter Fahrt kratzt unser Hauptständer über die steinernen Buckel. Fast springst du dahin wie auf einem hart gerittenen Pferd. Das Federbein der TDM bereits auf härtester Stufe arretiert, bändigte ich die überladene Maschine und zwang sie mit nötigem Gefühl und Nachdruck zum Gehorsam. Besonders in Kurven muss man bedenken, dass sich der Reifen nicht gut mit den glatt gefahrenen Steinen verzahnen kann. Das führt schnell zu Rutschern und deutlicher Fahrwerksunruhe. Matteo fand es natürlich sehr lustig. Dann "passt das schon".

 

 

Vorbei am Falkenhagener See und der Spandauer Zitadelle erreichen wir unser Tagesziel. Berlin, Mitte! Egal wann, egal wo, egal wer. Berlin schien jedem zu gefallen der schon mal dort war. Multikulti, offen, tolerant, chancenreich. Diese Attribute bilden das Zentrum der Erzählungen und Erklärungen die mein Berlinbild bisher prägten und dies galt es nun zu verifizieren. Unser erster Eindruck war schmutzig. Da sind wir wohl in die falsche Gasse ein gebogen. Unser Stadthotel kann sich wohl selbst nicht mehr an seine Blütezeit erinnern und bot uns nur das Nötigste um sich zu Reinigen und auch Schlafmöglichkeit. In diesem Preis Segment erwarteten wir deutlich Besseres. Aber wir konnten damit Leben. 

Nicht, dass ich den Prinzen auf der Erbse miemen möchte aber unsere bisherigen Herbergen verwöhnten uns da schon sehr, verglichen mit diesem Haus. Passt schon, nicht Jammern und draus lernen. Nach dem Frühstück suchten wir uns eine Konditorei und schoben eine zweite Frühstücksschicht nach. Jetzt waren wir bereit, dieses tolle Berlin zu erkunden. 

 

Gerne nützen wir zu diesem Zwecke einen Open Air - Stadtrundfahrt Bus. Das schafft schnellen Überblick über das Wesentliche, über interessante Punkte und Orte die man später in Ruhe, zu Fuß besuchen kann. So machen wir es auch hier. 

 

Das erste Bild welches sich in meine Erinnerung brannte war das der Gedächtniskirche in Charlottenburg. Welch ein Mahnmal! Welch eine Ohrfeige in das blöde Gesicht der Kriegshetzer und Deppen die schon wieder der Meinung sind mit Gewalt Probleme lösen zu können. Ja, sehr viel mehr solcher Erinnerungen sollten in unseren Ländern verstreut sein. Konserviert für die Ewigkeit. Und jedes Jahr ein Schulausflug in ein ehemaliges Konzentrationslager oder eine ähnliche Städte der Trauer über verlorene Menschenweisheit und Empathie. Oh Schande, Schande!

 

Dieses dumme Deines und Meines! Dieses zerstörende „Ich bin wichtiger als du“ Bild.

Unfassbar wie dumm der Mensch auf die Geschichte reagiert. Selbst auf seine eigene!

Wenn man sich diese Zeitzeugnisse anschaut erkennt man was hier in den vergangenen 70 Jahren geschaffen wurde. Durch Fleiß, Mut und Intelligenz. 

Unsere zentraleuropäische Kultur hätte das Zeug dazu, erfolgreich und friedlich zu wachsen. Unsere Länder beweisen das doch. Haben wir schon wieder Alles vergessen? 

Aber, setz dich auf dein Motorrad, verlass deine Komfortzone und fahr nur mal 6 Stunden Richtung Osten. Mach deine Augen auf! Armut, Not, Hilflosigkeit. Wenn man diesen Menschen helfen könnte. Märkte aufbauen. Kaufkraft steigern. Weist du was dann los wäre? Wir bräuchten nicht schwindelige Handelsabkommen mit irgendwelchen Staaten für die wir nur Geldmaschinen sind. „Die Geister die ich rief …“. Europa ist so klug und groß. Europa ist so weit. Europa ist so schwach! Warum? Weil es verkauft wird. Verpachtet, verschenkt an Leute die damit reich und mächtig werden. Aber nur einige Leute. Der Rest bleibt und wird arm und ärmer. 

Was ich in Ost Ungarn, in der Ost Slowakei in Rumänien gesehen habe erklärt Einiges. 

 

Ich erzähl euch später davon. Jetzt sind wir ja in Berlin! 

 

Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich als wir an Resten der Schandmauer vorbei fuhren. Man kann sich ja heute gar nicht mehr vorstellen was es für die Menschen damals bedeutete, zu beobachten, wie Familien und Freunde einfach per Befehl auseinander gerissen wurden. 

Wenn ich mich so umhöre glaube ich ja nicht wirklich, dass diese Mauer tatsächlich eingerissen ist. Oft klingt es noch immer so als spräche man von sich völlig fremden Völkern. Die gemeinsame Vergangenheit verleugnend. Man erkennt schnell, welchen großen Schaden ein paar dunkle Jahre mit einem so intelligenten Volk anrichten können.  

 

Gruselig und fesselnd zugleich, ist das Gefühl welches mich beim Beobachten des Checkpoint Charly beschleicht. Zu viele Geister spuken in meinem Kopf rum. 

 

Papa’s Bücher vom Johannes Mario Simmel waren damals wohl zu schwer für einen wohlbehüteten Grundschüler. Es wird Zeit, sich nach einfacherer Kost um zu sehen. 

 

Der historischen Gebäude und Städten satt, betteln wir um Ablenkung. 

Essen lenkt ab! Zumindest uns. Das kulinarische Angebot in Berlin ist breit gefächert. Alles was jemals der zivilisierte Mensch zur Speise erklärte, bekommst du in dieser Stadt. In jeder Qualität, in jeder Preisklasse. Wir wählen die gute Mitte im Rahmen der Oberklasse.

Unser Ziel, der Kurfürstendamm. Zentrum für Handel, Gastronomie und Bühne für den Schaulauf der Luxus Teile und Luxus Menschen. Da müssen wir hin. Ferrari, Porsche Lamborghini, Maserati. Auffallend mehr Erotik Autos, verglichen mit Frankfurt. 

Wir staunen, stolpern, starren in sündig teure Geschäfte die dir als - ich sag mal Mittelschichtler - den Schweiß auf die Stirn treiben. Ob wir uns hier das Essen leisten können? Ma kieken! 

Da hinten, in der Quergasse, in zweiter Häuserfront, ein Italiener. Die Klapp Tafel vor dem Eingang beruhigt mit moderaten Preisen. Spaghetti, Lasagne. Alles gutes und beliebtes Essen. Den müssen wir uns merken!

Jetzt aber weiter, den KuDamm entlang. Was eine Pracht. Auslage um Auslage. Motorgeräusch um Motorgeräusch treibt es uns dahin. Da, ein Bierlokal mit Gastgarten. Perfekt! Kühles Bier mit gratis Schaulauf der Reichen und Schönen. Ach, Berlin, feines Berlin. Das Bier weckt den Appetit, auf zum Italiener unserer Vorwahl. Auch meine Blase ruft zur Eile. Soll ich noch schnell hier? Oder? Ach was, wir sind ja bald bei Luigi oder wie der heißt und dann geht Alles auf einen Abtropf. Trapp Trapp, Hechel Hechel. Mensch wie weit ist das denn noch? Das gibt es doch nicht, dass wir so weit gegangen sind. Endlich! Schnell rein und die auffallend festlich gekleideten Offiziellen um einen Tisch gebeten. Mensch sehen die schnieke und reserved aus. Nicht wie in unser Pizzerei um’s Eck. Das sind wohl alles Chef’s. Argwöhnisch wird unsere unwürdige Garderobe begutachtet und auch meine Verkrampfte, nervös trippelnde Fußhaltung stellte uns nicht wirklich als Prämieren Publikum dar. Und doch, ein kleines Tischchen, ganz hinten neben der Toilette. Ja, beim verriegelten Notausgang. Da dürfen wir uns „ausbreiten“. Endlich! 

Pissoir sei Dank ist es auch mir möglich in, dem edlen Ambiente des Restaurants würdiger Haltung an unserer Tafel Platz zu nehmen. Die Padroni lassen keinen Blick von mir als ich zum dritten Mal die gesamte Speisekarte durchforste. Fragend, suchend, irritiert! Pizza, Pasta. E di Dove? „Nikte ume diese Zeite, Signore!“ lehrte uns der Verantwortliche! 

Mein suchender Blick raus auf die Klapptafel, stierte ins Leere. Überraschend war die Tafel verschwunden und die Stunde der minimal weniger preisgünstigen Abendkarte angebrochen. Einfach aufstehen und gehen? Sich lächerlich machen vor all den eleganten Chef’s in ihren schwarzen Valentino Anzügen? Im menschenleeren Ristaurante? 

Che vergogna, no! 

Natürlich werden wir etwas Essen! Liebling, hast du schon was Feines für dich entdeckt? Nein? Äh... Matteo, was möchtest du den gerne? „Die Tagliata an Ruccola und Trüffel Parmesan, Papa“. Schluck! Gerne Liebling! Eva? „Na ja, Viel haben sie ja nicht auf der Abendkarte. Na gut, ich nehme die hauchdünnen Reh Oblaten an Kartoffelcarpaccio und chinesischem Blattgoldsalat“. Ja gerne, meine Teuerste! Ich entscheide mich für ein schlichtes Risotto Funghi. Überraschend ist der Hunger aus mir gewichen. „Ein Gläschen Wein?“ Ja gerne, ein kleines! Die angebotenen Portionen halfen sehr gut, nur sehr wenig Zeit zu verlieren um unsere Stadtbesichtigung nicht all zu lange unterbrechen zu müssen. Wieder eines der Restaurant's in denen du in 4 Minuten Essen kannst, auf was du 40 Minuten warten musstest. "Il conto? Certo signore!" Hundertfüngzig Euro? Gerne! Was mein Schwammerlreis kostete wollte ich erst in Ruhe im Hotel nachlesen. Die Tränen machten es mir im Moment unmöglich. 

 

Berlin, Berlin, du bist so wunderbar. 

 

 

Jetzt ging es aber weiter nach Dresden, der etwa 550.000 Einwohner beherbergenden Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen. 

 

Die geplante Tagesstrecke umfasst heute nur gut 200 Km. Das bedeutet bei gemütlichem Tempo, dreieinhalb Stunden reine Fahrzeit. Wir wählen die schmalen Strassen durch den Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft. Vorbei an Bad Liebenwerda und dem Zeischer Kiessee, der auch fein zum Abkühlen und Pausieren einlud, ging es nun gestärkt weiter nach Dresden. Unsere Vorfreude ist groß, Eilt dieser Stadt doch der Ruf voraus, ihre Schönheit ohne Weiteres an berühmten italienischen Perlen wie Siena und Florenz, messen zu können. Das weckt Neugier. 

Schon im Vorfeld reservierte ich ein Familienzimmer in einer Pension, unweit der S-Bahn Station "Dresden Klotzsche". Diese sollte uns nach gebührender Erfrischung in das Zentrum tragen. Unser Gastwirt öffnete das Appartement welches uns die nächsten Abende zur Heimat werden sollte. "Hoffentlich genügt euch das Zimmer?"

Es war großartig! Geräumig, sehr gepflegt. Ja, auf eine nüchterne Art luxuriös. Drei Zimmer ein großes Bad, Wohnzimmer. Günstiger haben wir noch nicht gewohnt.

Als Selbstverständlichkeit sah es unser Gastgeber an, seinen Wagen im Freien zu parken und für die Motorräder seine Privat Garage zur Verfügung zu stellen. "Das gibt es doch gar keine Diskussion!"

Nachdem er uns in Alles Nötige eingewiesen hatte erzählte er uns noch so manch Wissenswertes über die Stadt und welche aktuellen Highlite's wir unbedingt sehen sollten. Auch, welche Zeiträuber wir getrost ignorieren können. 

Gespannt setzten wir uns in die S-Bahn und freuten uns auf die Altstadt. Hunger trieb uns an und machte uns schon leicht ungeduldig. Welche regionalen Spezialitäten wir wohl entdecken, probieren werden? Offenbar keine! Ausser der Süßspeise "Eierschnecke" schien es keine landestypischen Schmankerl zu geben. Wo wir auch fragten, nachdenkliches Kopfschütteln. Thüringer Bratwurst? Das passierte uns aber auch in vielen anderen Orten in Zentral Europa. Die Gastronomie scheint sich den touristischen Basic Wünschen an zu passen und bietet Pizza, Kebab und China Nudeln an allen Ecken. Regionales findest du oft nur noch durch Insider Tip's. 

Das finden wir schade. Sagt doch die Küche eines Landes so viel aus über die Kultur und Tradition. Den Geist des Volkes. Doch der Hunger macht auch uns langsam kompromissbereit und weich. Quer durch die Innere Neustadt schlendern wir Richtung Westen und schon auf der Augustusbrücke staunten wir über die Schönheit dieser Stadt. 

 

Die Abendsonne taucht das Panorama in weiches, schmeichelndes Licht. Da wurde uns wirklich nicht zu viel versprochen! Die Promenade an der Elbe, die Semperoper, der Zwinger und endlich, die empfohlene Kurfürstenschänke an der Frauenkirche. 

 

Wir speisten international und befriedigend.

 

Danach trieb es uns noch ein wenig durch die Altstadt um bald zu entscheiden wie wir morgen starten wollen. Unserer guten Erfahrung folgend, einigten wir uns auf eine  vormittägliche Stadtrundfahrt. Langsam gingen wir wieder Richtung S-Bahn und hielten  dabei Ausschau nach einem würdigen Bäcker oder einer feinen Konditorei für unser morgiges Frühstück. Auch da waren wir bald erfolgreich und nach einem langen Tag freuten wir uns schon auf unsere Betten. 

 

Der nächste Morgen begann mild und angenehm. Die Sonne lachte abenteuerlustig in unsere Zimmer und das mittlerweile automatisierte Zeitmanagement welches unser allmorgendliches Augen- und Zähneputzen, Rasieren und auch olfaktorisch belastendere Notwendigkeiten organisierte, kam selbstständig in Schwung. Schon rieten wir, welchen Wochentag wir wohl heute hatten. Auf so einer intensiven Reise verschwimmen mir Tage und Eindrücke schnell zu einem Großen Ganzen. Bald weiß ich nicht mehr sicher, welcher Tag heute ist oder was man vor 4 Tagen so erlebte. Das liebe ich an dieser Art Motorrad Reisen. Von einem Tag in den Anderen. Aber noch intensiver wird dieses Gefühl ohne detaillierte Routenplanung. 

 

Jetzt geht es runter in die Neustadt um in der Konditorei unseres Vertrauens, reichlich Kalorien für den bevorstehenden Tag zu bunkern. Ein leerer Sack kann bekanntlich nicht stehen. Natürlich Pikantes, natürlich viel. Selbstverständlich Eierschnecke. 

 

Die Neugier trieb uns an und schon bald enterten wir die Obergeschoß - Freiluft-Sitzplätze im bunten Bus. Auch diesmal rangen wir mit uns, welche Plätze wohl die geeignetsten seien. 

Ganz Vorne sieht man natürlich am meisten von der Stadt und kann sich, wenn man den will,  als Pilot oder Kapitän fühlen. Auch Fotografieren geht an dieser Position sehr gut. Ganz hinten kann man aber auch die Mitreisenden beobachten. Diese sind mit ihren Eigenheiten und Gehaben immer wieder dankbar angenommene und oft sehr unterhaltsame Abwechslung. Wir entscheiden uns dieses Mal für die goldene Mitte. 

 

Die Fahrt ging schon unter herzhaftem Gelächter los.  Gelächter?

Ja! Unser Busfahrer und Guide schaffte es durch seinen ganz eigenen Humor und wohl auch wegen seines melodischen sächsischen Dialektes, seine Passagiere in kürzester Zeit zu einer fröhlichen, eingeschworenen Gemeinschaft zu formen. Bald hatte man das Gefühl sich schon längst zu kennen. Lachte, zwinkerte sich zu, lauschte, nickte, lernte ...

 

Nach 20 Minuten fühlten wir uns wie selbstverständlich in der Lage, in der hiesigen Landesregierung eine Schlüsselposition zu besetzen und "Denen" gehörig den Kopf zu waschen. Das Ruder herum zu reißen und Fahrt auf zu nehmen in eine nahe, bessere Zukunft. So schnell verstanden wir, dank der Weisheit unseres Guide's, wie man Alles besser machen könnte und müsste. So einfach, so logisch! 

 

Ach ja, da war ja auch noch die Stadt. Schön war sie und unser Führer Jens, wusste Alles. Historisches, Modernes, Falsches, Richtiges. Kaum ein Gebäude welches er nicht kannte. Kaum eine Geschichte welche er nicht erzählte. Keine unserer jemals erlebten Stadtrundfahrten wahr so informativ und so unterhaltsam wie diese Tour. 

Leider mussten wir aber auch realisieren, dass dieses nun das Ende einer beliebten Tradition sein muss. Jede weitere Städte Info Tour kann nach diesem Helden nur noch zur seichten Zeitverschwendung abkacken. Das war's dann wohl! 

Wehmütig hingen wir an seinen Lippen und hatten kaum noch Augen für die Schätze dieser wunderschönen Stadt. 

Als wir uns nach der Tour hemmungslos heulend in den Armen lagen und unserem Guide Säcke weise Trinkgeld aufbürdeten wussten wir, dass es nie mehr so sein kann wie jetzt. 

Dass uns diese Stadt selbst nur noch Bruchstücke an Interessantem zurückgeben kann um unseren Schmerz zu lindern. Wir versuchten uns an All das zu erinnern was Jens uns mit auf den Weg gab um seine Stadt zu erleben. Uns gegenseitig Mut machend stolpern wir zaghaft los, in eine neue Welt. Eine Dresden ohne Jens. 

 

Vorbei an der Semperoper und dem Zwinger mit seinen wunderbaren Ausstellungen und barocken Gebäuden. Weiter über die Frauenkirche und die Altmarktgalerie bis zum Rathausturm. Der Blick vom Turm bietet ein großartiges Panorama und weist uns den Weg nach drunten, auf den Rathausplatz, wo eine interessante Ausstellung unser Interesse weckt. 

 

Eine Leistungsschau der hiesigen Polizeikräfte ließ aufkeimende Gedanken an eine unterhaltsame Randale im Keim ersticken. Das Denkmal der Trümmerfrauen, der "Große-" und der Botanische Garten an der Technischen Universität. 

Die "Gläserne Manufaktur" wo das Auto deiner Leidenschaft montiert werden könnte. Unter deiner strengen Beobachtung. Zumindest wenn die Scheiben der riesigen Glasfassaden sauber genug sind. Jens wusste, dass dieses Werk für den VW Phaeton gebaut wurde und nicht mal halb so viele dieser Autos bestellt wurden als die Entscheidungsträger im Volkswagen Konzern erwarteten. Hätte mich auch gewundert. Wer kauft einen VW wenn er um den gleichen, sehr hohen Preis, einen Prestige trächtigeren AUDI aus dem gleichen Konzern kaufen kann. Oder gar einen Mercedes, einen BMW. 

 

Manchmal wäre es besser, die Arbeiter am Fließband würden Entscheidungen treffen. Diese sind meist näher am Markt. Oder wenigstens den Jens hätten sie fragen können!

Ach, was geht es uns an? 

 

Einen gesunden Fußmarsch später erlebten wir auch noch das "Blaue Wunder". 

So bezeichnet der Volksmund die Loschwitzer Brücke. Diese verbindet seit 1893 die Villen und Wohngegenden Blasewitz und Loschwitz an den linken und rechten Elbufern. 

Diese Stahlbrücke gilt heute als Historisches Wahrzeichen der Deutschen Ingenieurskunst.

Danach flanierten wir das östliche Elbufer entlang, Richtung Innere Neustadt. Langsam kündigte auch die Sonne das Ende ihrer Tagschicht an und auch wir waren der Bilder und Eindrücke müde und hungrig. Ein schmackhaftes Abendessen das Eine und Andere Kaltgetränk. 

Ein feiner Cocktail als krönender Abschluss dieses Tages und die S-Bahn entführt uns bald rauf in unser Schlafgemach. Morgen wollen wir durch das Erzgebirge und die Tschechei nach Regensburg fahren. Unser letztes Reiseziel bevor wir wieder zu hause aufschlagen. 

 

Alle Koffer sind gepackt und alle Taschen festgezurrt. Unsere braven Moped's tragen uns noch in der Kühle des Morgens runter zur nächsten, einladenden Konditorei um genügend Kraft auf die  Rippen zu  laden! 

 

Erzgebirge bedeutet Kurven. Bedeutet Dörfchen. Kurven, Dörfchen, Wäldchen. Es war eine Wonne. Gas, Bremse, Raufschalten, Runterschalten, Bremsen, Gas. So ging das stundenlang und machte so recht Spaß. Eva signalisierte uns, dass sie dringend einem wohl menschlichen Bedürfnis nach kommen müsste und uns war es auch egal, nach dieser fordernden Etappe mal vom Bock zu steigen. Solange Eva auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen war wollte ich nur kurz in die Karte schauen um mir einen groben Überblick über heute schon Geleistetes zu machen. Es war der Schock des Tages! 

Auf einer zehnteiligen Scala der geplanten Tagesleistung fand ich uns auf einer guten Zwei!

 

Das gibt es doch nicht! Hier ist es zwar wunderschön zu Fahren, nur um Kilometer zu machen ist diese Gegend wohl für uns ungeeignet. Wenn wir relaxt und noch bei Tageslicht in Regensburg ankommen möchten, müssen wir wohl oder übel ein gutes Stück auf der Autobahn fahren. Dieser Plan leuchtet auch der erleichterten Eva ein und wird im Gashandumdrehen umgesetzt. 

 

Wieder wird würdig angegast und unsere braven Japanerinnen schnurrten flott und ohne Gezicke über das schwarze Asphaltband Richtung Süden bis uns Hunger und Durst zur Einkehr zwangen. Noch ein leckerer Burger, ein Eis und bald sollen wir es geschafft haben. 

Regensburg ist uns durch viele Besuche schon sehr lieb geworden. Das Altstadthotel Arch ist auch dieses mal unser erklärtes Ziel. Mitten im historischen Ortskern bietet es in einem kleinen Innenhof  ein ruhiges Platzerl für unsere braven Moped's und geräumige, ruhige Zimmer. Nicht feudal, nicht pompös. Gerade fein und recht. 

 

Ein mehr als ausreichendes Frühstück und sehr freundliches Personal. Und das, mitten in einer Altstadt die ebenfalls eher den Geist des mediterranen Dolce Vita versprüht als leistungsorientierter Hetze anderer, gut besuchter Städte. Die Stimmung der vielen Studenten färbt die Lokale und Geschäfte auch hier und lockt uns magisch. Kein Jahr vergeht in dem wir nicht zumindest ein Mal in Regensburg übernachten und diese schöne Domstadt an der Donau auf uns wirken lassen. 

 

Regensburg blieb weitestgehend von Kriegsschäden verschont und erlaubte uns auch heute wieder in voller historischer Pracht, dahin zu Wehen durch die schmalen Gassen und ein zu Tauchen in einen harmonischen Abend. Es gab Pizza! Was sonst isst man in einer bayerischen Stadt, welche italienischer nicht sein kann?

Müde und glücklich schlurfen wir in unser Hotel und schliefen ruhig ein.

Das gewohnt gute Frühstück erlebten wir heute in einer ganz besonderen Stimmung. Heute Abend sollten wir - so Gott will - zu hause sein. Ungewohnt, befremdlich. 

Wir reden über Südtirol, PORSCHE, die Niederlande. Über unzählige Kilometer durch Deutschland und alle schönen Begegnungen auf dieser langen Tour. Unser Start in den Tag zog sich länger und länger als ob wir die letzte Fahrt der Reise noch raus schieben wollten. Noch nicht wahr haben wollten, dass heute Schluss sein soll. Morgen schon der Alltag einkehren und unsere verdichtete Reise Gemeinschaft lockern wird. Noch ein O-Saft. Noch ein paar Minuten raus geschunden bis es Realität sein muss. Auf geht's, nach hause! 

 

215 Kilometer, dreieinhalb Stunden, quer durch Bayern. Auf Land- und Gemeindestrassen die wir schon von manchen Tagestouren kennen und lieben lernten. In dieses Gebiet lockt es uns meist im Frühling. Wenn die hohen Pässe Richtung Italien noch gesperrt sind und die Zeit knapp ist. Dann lüften wir hier gerne den Wintermief aus unseren Motorradklamotten. Unzählige kleine Straßen führen mit harmonischem Kurvengeschlängel durch diese schöne Landschaft. Biergärten winken zum Kraft tanken und überwiegend freundliche Menschen unterhalten dich ohne Scheu. Ein Eis in der Wasserburger Altstadt. Ein Bier-Schweinsbraten in Bad Aibling. Weiter über Bayrischzell und Thiersee rollen wir nach Kufstein um die letzten Kilometer, die letzten Kurven über Mariastein, Angerberg und Breitenbach noch nützend, vor unserer Garage aus zu rollen. Motor aus, wir sind zu haus! Das war eine intensive, wunderbare Tour!

 

Was haben wir in dieser intensiven Zeit gelernt? 

 

 

Der Schlüssel zu einer gelungenen Tour liegt neben vernünftiger Vorbereitung, Offenheit für Fremdes und positiver Motivation auch in der geeigneten Ausrüstung