Kärnten, Burgenland, Venedig, Mittelitalien, Norditalien

2009 bekam ich "einen Rappel"!

Mehr als 2 Jahrzehnte vergingen, in denen Arbeit, Familie und über lange Strecken auch finanzielle Gründe, ein würdiges Motorrad fahren verhinderten. Nun war die Zeit und auch die Möglichkeit gekommen meinem Sohn Matteo und meiner Frau Eva zu zeigen, dass auch ein Anderer in mir wohnt. Einer mit Lederjacke und Eisenarsch.

Plötzlich dachte zurück an die vielen bunten Poster in meinem Kinderzimmer welche eindeutig nach Süden zeigten. DAKAR, TENERE, YAMAHA, JEAN CLODE OLIVIER, STEPHAN PETERHANSEL ...

Aber, war das der vernünftige Ansatz für einen Wiedereinstieg nach langer Pause? 

 

Als jungen Erwachsenen fesselte mich wie viele unter euch auch, der Überlebenskampf. Arbeit, Familie, noch mehr Arbeit, Geldsorgen und noch viel mehr Arbeit. Wer von euch kennt dieses Lied nicht?

 

Auf dem Höhepunkt meiner körperlichen Leistungsfähigkeit war ich Familienvater, Technischer Angestellter in der Chemischen Industrie, leidenschaftlicher Mitarbeiter in einer freikirchlichen, christlichen Gemeinschaft und als zweites, kreatives Standbein, selbstständiger Fotograf welcher auf Ausstellungen, Veröffentlichungen in namhaften Printmedien West Österreichs und auch als Verantwortlicher für 3 Fotogewerbe seinen Mann stand. Besondere Freude machte mir auch das Abhalten von Seminaren im Bereich Kunst- Portrait und Aktfotografie. 

 

Eines Tages, als ich wie gewohnt von meinen Arbeitsplatz in der Fabrik auf den zu Hause wechselte, ereignete sich etwas besonders Einschneidendes in meinem Leben. 

Mein geliebter Sohn Matteo, stand plötzlich neben meinem Schreibtisch und erzählte mir wichtige Dinge aus seinem Tag als Grundschüler. Ich sah wohl wie sich sein Mund bewegte, wie die Bewegungen seiner Arme seinen Ausführungen den nötigen Rahmen gaben. Aber. Ich hatte nicht mehr die Kraft, zu hören, was er mir wohl so leidenschaftlich zu erzählen versuchte. Jetzt wusste ich, es ist genug! Sofort die Bremse rein! 

 

Mein höchstes, irdisches Gut, meine Familie, dem Geld zu opfern. Nein! Noch in der selben Woche rief ich meinen Steuerberater an und beauftragte ihn, schnellstmöglich meine Firma mit dem Finanzamt ab zu rechnen und ab zu melden. Und das tat ich auch mit einer Spontanität und Geschwindigkeit, dass mein Umfeld nicht aus dem Staunen raus kam. Die Einkünfte aus diesem zweiten Einkommen brauchten wir in Wahrheit längst nicht mehr. Wir hatten keine Schulden oder sonstige Verpflichtungen die uns zwangen so viel zu Arbeiten. 

 

Meine bestehenden, angenommenen Aufträge arbeitete ich ab, verkaufte innerhalb zweier Monate meine komplette, umfangreiche Foto Ausrüstung samt Studio und Auto. Was gewann ich? Wertvolle Zeit und das Vertrauen meines Sohnes welcher mittlerweile selbst infiziert, einer meiner begeisterten Motorrad - Tourenpartner geworden ist. 

 

Burgenland, Steiermark, Mittelitalien

Bon Viaggio! - Das war mein erster Gedanke, als nahe des Vorderrades das automatische Garagentor knarrend aufschwang. Wir waren nach sehr langer Fahrt wieder zu hause angekommen.  Aber wie fing es an? Meine Motivation zu dieser Reise lag einzig in der Tatsache, dass ich gar nicht anders konnte als mit dem Roller zu fahren. Seit einiger Zeit verzichte ich ganz entschieden, mir als „Hobby - Autofahrer“ das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. Weder beruflich noch privat benötige ich ein Auto und doch ärgerte ich mich seit 30 Jahren über steigende Kosten wie Vignette, Steuer, Versicherung, Service, Reifen, Sprit…

Dazu noch 100 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Inntalautobahn, Baustellen über Baustellen, durch Vignettenflüchtlinge verstopfte Bundesstrassen. 

Ich wollte nicht mehr die vielzitierte „Melkkuh der Nation“ sein und meldete meinen italienischen Spaß Wagen ab.

Stand doch ohnehin nur in der Garage um Fünftausend Teuro jährlichen Wertverlust.  Um meine Beweglichkeit nicht zu sehr einzuschränken, suchte ich mir, der Stimme meines grün - weiß - roten Blutes folgend, natürlich einen italienischen Roller. Die stichige Vespe mit 300 ccm, optimiertem Fahrwerk  und einem Malossi Potenzmacher – Kit, würde gerade definieren was ich unter einem würdigen Roller verstehe.

Der Blick des Verkäufers drückte nur allzu deutlich aus, was sich im Schaufenster wieder spiegelte.„Großkörper sucht Großroller!“ Den PIAGIO Beverly 500ie. Quasi, die Über - Vespa! 

 

Schnell merkte ich welches Potential mit seinen 40 PS, in diesem Kerlchen steckte.

Flott, handlich, dank der Linie und den hochwertigen Moto - Guzzi  Komponenten auffällig schön und super bequem. Tatsächlich sprachen mich immer wieder Leute auf meinen schönen Roller an.  

 

Reisepläne wurden geschmiedet und freudig meiner Frau Eva präsentiert. „Auf dem Roller quer durch Österreich, Norditalien, Adriaküste bis Mittel Italien, quer durch die Toskana an die ligurische Küste, durch das Binnenland wieder zurück.“  Keine Hotelbuchungen, einfach drauf los. Keine Autobahnen, nur Gemeinde- und Küstenstraßen. „So wird das ausschauen!“ La dolce vita! Als meine Frau Eva schweigend und mit hysterisch an die Stirn tippendem Zeigefinger den Raum verließ, deutete ich das als ihre ganz persönliche Art, Vorfreude auszudrücken. In Wahrheit benötigte ich dringend einen anderen Reisebegleiter. Der fand sich schnell in meinem dreizehnjährigen Sohn Matteo. „Der gleiche „Italienspinner“ wie sein Papa.“   

 

Los ging es!  Stoßdämpfer auf härteste Liga vorgespannt, immerhin werden da Massen bewegt. Eigengewicht des betankten Rollers etwa 200 Kg. Lebendgewicht des Fahrers, je nach Betankung >110 Kg, Beifahrer mit 40 Kg. Ein Rucksack mit 10 Kg. Welcher übrigens perfekt zwischen Beinschild und Sitz passt. TopCase 10 Kg. Jetzt noch das Garmin ZUMO 500 deluxe und das Headset eingeschaltet und „Addio, gute Frau“ gerufen. Mein Roller wollte sein Geburtshaus sehen. Was sollte ich dagegen tun? 

 

Tiroler Sommer bedeutet im Normalfall R E G E N . Und das üblicherweise mindestens ein Mal proTag. Also nix wie rein in das Regenzeug und ab, über den Pass – Thurn und die Felber Tauern. „Freddo mio!“ Finger kalt. Ja, nur Anfänger fahren  im Hochsommer ohne geeignete, warme Ausrüstung Richtung Italien! Dann noch diese Egoisten von LKW Fahrern. Statt 3 Sekunden zu warten, schneiden sie vor dir raus und du tauchst, beinahe blind, ewig in ihrer Gischt. Danke, sehr freundlich! „Euch kommt es sicher auf die 3 Sekunden an!“  

 

Einzig trockener Streckenabschnitt, das Innere des Tauerntunnels. Ab Lienz wird es wieder angenehm warm und die Strasse trocknet auf. Nach einem schmackhaften Essen im kärntnerischen Drautal und Verstauen der Regenausrüstung, zieht es uns weiter, Richtung Ossiachersee.

Die Route führte wegen meiner Navi - Konfiguration "Kurvenreiche Strecke", über 7 Kilometer, sehr abschüssige Schotterstrasse. Der Roller hatte aber dank seines 16“ Vorderrades auch diesen Abschnitt recht gut im Griff. Trotz unseres Gewichtes. 

 

Beim Sprit Management erwies  sich das Garmin ZUMO 500 Deluxe, Navi. als ideal. Schon kündigt es den bevorstehenden Kraftstoffmangel an und bietet mir, drei, in der Nähe liegende Tankstellen an. Jetzt darf ich noch entscheiden ob ich die "Auserwählte" in die Route zu unserem Zielort einbinden will, was ich dankbar annehme. Schnell finden wir die Tankstelle. Dieser Funktion werde ich im Verlauf unserer Reise noch oft anerkennend danken. Bei unserem Gesamtgewicht von 370 Kg. und dem Verbrauch von durchschnittlich 3,8 l / 100 km empfiehlt es sich, nach etwa 200 gefahrenen Kilometern zu tanken. Da wir ausschließlich Gemeindestraßen befahren und Autobahnen sowie Schnellverbindungsstrecken meiden um in den Genuss von „Land und Leuten“ zu gelangen, muss man schon mit Streckenabschnitten rechnen welche mangels Tankstellen die Kraftstoffreserve leer saugen. Davon blieben wir verschont. 200 Kilometer klingen nicht nach viel, allerdings mit zunehmender Reisestrecke ist auch im Sinne der Sicherheit, eine kurze Pause zum Füße vertreten, durchaus angenehm.  Am See angekommen fanden wir problemlos ein Zimmer und machten uns frisch. 

 

Adjustiert mit kurzen Hosen und Shirt erkundeten wir auf unserem Beverly die nähere Umgebung, bis endlich Villach erreicht wird, welches – wohl extra für uns – ein unterhaltsames Stadtfest bot. 

 

Nach ruhiger Nacht, ausgiebigem Frühstück und kurzer Wanderung am Ossiacher See, drängte es uns schon zur Weiterfahrt. 

Herrlich war es durch Wälder und Dörfer zu gleiten und die frische Morgenluft zu genießen. 

Bald waren wir in slowenischer Grenznähe in Magdalensberg und schnell wurde es steiler, um über die etwa 1.400 m hohe Soboth auf die steirische Weinstraße zu gelangen. Dieser Streckenabschnitt war ob seiner herrlichen Aussichten und der traumhaft ausgebauten Strasse, ein Genuss. 

Vergleichbar mit dem Backhendel auf, mit Kernöl veredeltem, grünem Blattsalat in einem einladenden, steirischen Gasthof. Wir aßen um die Wette und mich überraschte sehr, mit welcher Leidenschaft mich Matteo besiegte. Er, der bislang kein Huhn essen „konnte“! Außer Chicken Mac Nuggets.

 

Selbst diese slowenische Regenfront in unserem Rücken ging uns in diesem Moment des Genusses am „A“ vorbei. Die überdachte Terrasse war groß genug um bequem die Regenbekleidung anzuziehen und die restlichen 50 Kilometer bis Jennersdorf im südlichsten Burgenland in Angriff zu nehmen. Bei Matteos Großeltern angekommen wurde das wieder trockene Regenzeug gepflegt und verstaut. Wir sollten es in den nächsten 3 Wochen nie wieder benötigen.  Ausflüge in das nahe, oststeirische Hügelland und auf den Eisenberg, ein Weingebiet im mittleren Burgenland, mit zauberhafter Aussicht nach Ungarn, versüßten uns denAufenthalt. 

 

Gutes Essen zu Preisen an die man sich in Tirol längst nicht mehr erinnern kann. Freundliche, ehrliche Menschen. Reisegenuss pur! Ausflüge ins grenznahe Ungarn und Slowenien und ein relaxter Badetag im gepflegten Jennersdorfer Freibad, rundeten unseren Aufenthalt im Burgenland ab. Die selbst gemachten Marmeladen von Matteos Oma und die Gespräche mit Opa gaben uns die nötige Kraft um weiter zu rollen. 

 

Über steirische Hügel, vorbei an Obstgärten und goldenen Feldern erreichten wir meinen Geburtsort Graz. Nach einem Kaffee in der unterhaltsam, belebten Herrengasse zog es uns weiter, über die Pack Passstrasse nach Kärnten. In Wolfsberg angekommen verwöhnte ich mich natürlich mit der regionalen Spezialität „Kärntner Kasnudeln“. Lobend empfahl ich meinem Sohn die regionale und kostengünstige Küche. Matteo wählte Filet an Kroketten in Pfefferrahmsauce. 

 

Sollte ich mich bezüglich unserer Proviantkosten doch verkalkuliert haben? 

Nach dem feudalen Essen ging es weiter, um nach angenehmer Reise durch Wald und Flur, Velden am schönen Wörtersee zu erreichen. 

Wieder fand sich schnell ein Hotelzimmer und wir erkundeten nach entspannender Körperpflege, Velden's Seepromenade. 

 

Besonders imponierend fanden wir die Menge an Luxus Bürgerkäfigen von Ferrari, Lamborghini und natürlich, meiner favorisierten Autoschmiede, Porsche. 

Dieser ist ja nach meiner Behauptung „das beste österreichische Auto ist, welches im Ausland produziert wird“. Jedenfalls waren wir uns darin einig, dass die Autos ohne deren oft dekadent und unnatürlich  wichtig dreinschauenden Lenkern, weit attraktiver waren. Wohl wissend, dass der Großteil dieser Fahrzeuge, Eigentum irgendwelcher Firmen sind und sich dieser spät pubertäre Hosenscheißer in Papa's  Bentley da drüben, nicht einmal einen Reifenwechsel leisten könnte. „Ha, ha…!“ 

 

Mein Vorschlag, als Zeichen der Kritik an diesem Geld geschwängerten Umfeld, provokant einen simplen Döner zu essen, wurde angenommen. Quasi als intellektueller Akt. Reise Budget vorerst gerettet, morgen geht es ins Pizzaland. 

 

Matteo steht ja als ausgewiesener Pizza Margherita Experte, beinahe kurz vor dem Lehrstuhl internationaler Pizzaologie und so sind die folgenden Ausgaben für sein Essen wohl überschaubar. 

Ja wisst ihr, welche Mengen so ein Teenager den ganzen Tag in sich reinschlingt?  Am nächsten Tag bezwingen wir nach ausgiebigem Frühstück und Streicheln der Hotelkatze, die steinigen Kärntner Alpen um bei Arnoldstein, Richtung Venetien zu entrollern. 

 

Was haben wir uns auf die kleinen, italienischen Orte mit ihren verschachtelten Häusern und winkeligen Gassen gefreut. Auch meinem Navigator, Hr. Garmin, erging es wohl nicht anders. Wie sonst ließe sich erklären, warum er mich von den schmalen Straßen welche uns durch die kleinen Orte trugen weg führte, um über 5 Kreuzungen und 7 Gehweg ähnliche Gassen, wieder auf die selbe Straße zu bringen die wir 50 m vorher verließen?  

 

Spätestens als ich mit einer charmanten Geste eine junge Mama samt Kinderwagen über den Zebrastreifen bitten wollte, die sich aber partout weigerte, war mir klar, wir sind in Italien.

Die hält mich sicher für einen ausländischen Psychopathen welcher es auf Sie und die Hälfte ihrer Familie abgesehen hat. So unnatürlich freundlich wie ich mich gegenüber Fußgängern benahm. 

Nein! Kein italienischer Staatsbürger der seine sieben Sinne beisammen hat, setzt vor einem motorisierten Fahrzeug einen Fuß auf den Zebrastreifen! Sofort erinnerte ich mich daran, meine Fahrethik auf „italienisch“ um zu stellen, welche ich auf meinen vielen Autoreisen nach Italien, zu einem wahren Erfahrungsschatz reifen ließ. Will heißen: „Sehe ich einen Fußgänger welcher sich auch nur in die Nähe eines Schutzweges bewegt, habe ich sofort mit lautem Aufheulen des Motors zum Ausdruck zu bringen, dass er kein Recht der Welt und auch nicht die geringste Chance hat, lebend, vor mir diesen Zebrastreifen zu überqueren“. Das unterstreicht man mit  menschenverachtendem Blick einerseits oder auffälligem Ignorieren andererseits. Dieses muss man allerdings durch gelangweiltes Schauen auf sein Handy oder in eine Zeitung, zum Ausdruck bringen. So fährt man über italienische Zebrastreifen! 

 

Übrigens gewährt die italienische Seele dem Motorradfahrer ohnehin manche Freiheit. 

Wo sonst erleben wir, dass Autos an den rechten Fahrbahnrand ausweichen wenn ein Motorrad im Spiegel erkannt wird? Wo sonst kannst du problemlos an beiden Seiten der Autos vorbei schwingen und an der rot leuchtenden Ampel rechts abbiegen? Dabei die Autos nur ein klein wenig zum Ausweichen nötigen. Ohne jeden Protest! Ein kurzer Gruß noch! 

 

Versuch das mal in Österreich oder Deutschland! Da drängen sie dich eher noch in den Gegenverkehr. „Der darf des nicht, der hat genau so zu Warten wie ich!“ Der Frust, in einem Auto im Stau zu sitzen das 40% des Einkommens auffrisst, ist oft wohl verdammt groß. Und dann will auch noch so ein Mopedfahrer vorbeifahren…? 

 

Zum beliebten, gegenseitigen Grüßen der Motorradfahrer in Österreich u. Deutschland wollte ich noch eines anmerken: „Ich lehne es ab.“ 

 

Für mich als höflichen Menschen, ist es mühsam, ständig auf die, meist unkenntlich schwarz behandschuhte, linke Hand eines entgegenkommenden Bikers zu starren, um zu sehen, ob er wohl grüßt oder nicht. Es nervt extrem und bringt nix! Das war meine Meinung damals! Heute, grüß ich immer noch zurück, Verdammt! 

 

Ich bin einfach zu höflich und hab jedes mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich mal durchringe, den Gruß nicht zu erwiedern. In Italien jedenfalls, wird diese Form des Motorradfahrens ohnehin nur von Touristen kultiviert. Das Gerücht, dass Fahrer von Harley's und anderer "Zierkrafträder" nicht grüßen, da sie den stark vibrierenden Lenker dann nicht mehr zu fassen bekommen, kann ich nicht aus eigener Erfahrung bestätigen. Seit ich auf meinem optisch sehr präsenten 260 Kg. Gatschhupfer fahre, werde ich auch von den coolen Jungs gegrüßt. Gibt ja vielleicht ein Gruß - Gewichts Limit. Na ja in Italien läuft das Fahren ohnehin leichter und schneller. Bedingt schneller!

Mit Italien meine ich Alles südlich von Verona und Venedig. In den Touristischen Ballungszentren rund um die obere Adria und den Gardasee, kann die erhöhte Geschwindigkeitswahl teuer und mühsam werden. Mittlerweile ist es für italienische Behörden kein Problem, Radarstrafen, ja sogar Falsch Park Ticket's in Österreich ein zu fordern. Es gibt in der Tiroler Landesregierung sogar ein eigenes Büro für diese Dienstleistung. Das selbe Spiel funktioniert auch mit der Schweiz. Nur, noch wesentlich teurer. Natürlich können sie dich nicht zu hause pfänden, aber du bist in ihrem Computersystem. Sollten sie dich einmal in Italien stoppen, erfährt der Beamte bei der Lenkerabfrage sehr schnell, dass du ein zahlungsunwilliger, Böser bist. Dann, ja dann, brauchst du viel Zeit, gute Nerven und viel Geld. Oder du reist sogar ohne dein Motorrad nach hause. Die italienische Bahn ist wiederum sehr günstig! Na ja, wie sagt ein treffendes Sprichwort: "Die Kuh muss gemolken werden wenn sie Milch gibt".  Und ja, es macht einen Unterschied ob man Österreicher- oder Deutscher ist. 

 

Weiter im Süden, hatten wir auf meinen ganzen Reisen durch Italien niemals Probleme mit der Polizei. Man hat das Gefühl, jeder fährt wie er gerade Lust hat. Schnell, langsam, höflich, egoistisch, egal. Leben und Leben lassen! Natürlich geht es noch leichter mit einer Startnummer "46" am Seitenkoffer oder Top Case. Kann man ja zu hause wieder ab nehmen. Auch unser Beverly 500ie gibt so viel Vertrauen als ob er mit seinem dumpfen Brummen und lustigen „spot, spot,,spot…“ beim Gas wegnehmen, sagen will:  „Nach Feuerland? No problema, vai"!

 

Die Fahrleistungen des Rollers erscheinen für gemütliches Reisen, mehr als ausreichend. 120 Km/h sind trotz Ladung bald erreicht. Bis 140 Km/h braucht es dann schon ein Weilchen. Immerhin hänge ich mit meinem stattlichen Äußeren wie ein Segel im Wind. Die vom Hersteller angegebenen 160 Km/h erreicht man wohl nur mit der Figur meines sehr bewunderten Herrn Rossi Valentino.

 

Kraftstoffverbrauch, wie gesagt, etwa 3,8 l/100 km, Ölverbrauch auf der gesamten Strecke von 3684 km etwa 300 ml, Kühlwasserverbrauch, niente ( nix ). 

Wir erreichen die überfüllten, deutschsprachigen Strände der nördlichen Adriaküste und flüchten gleich nach der täglichen Pizza Margherita weiter Richtung Venedig. Die Fahrt war herrlich. Flaches Land, im linken Augenwinkel spiegelt sich das Meer und wir suchen die nächste offene Tankstelle. Ich hasse ja italienische Tankautomaten und bin entsprechend froh darüber, dass es keine unseriösen Fotos von meinen missglückten Versuchen an diesen Schandsäulen gibt.

 

Gut vorbereitet, hatte ich wenigstens genügend Geld in EUR 5,- Scheine gewechselt. So hielten sich die Spenden im überschaubaren Bereich. denn ausbleibendes Wechselgeld geht direkt an die Tank Mafia. Plötzlich erkannte Matteo ein scheinbares Problem mit dem Roller“ „Papa da läuft etwas aus!“ Eine Flüssigkeit fand sich seitlich des Rollers. Sollte es jetzt doch Zickenkrieg mit Signorina Beverly geben? Entwarnung!

Die Flüssigkeit danpfte nur aus meinen Ärmeln. Schwitzen Kinder eigentlich nie?  38° C Aussentemperatur machten jeden Halt zum Sauna gang. Aber fährst du ohne Schutzausrüstung mit deinem Erstgeborenen am Sozius? Ich kann das nicht! Zumindest nicht auf den flott gefahrenen Reiseetappen. Auch wenn die Italiener täglich den Kopf in den „Gazetto dello Touristica“ steckten und sich polternd den Bauch hielten beim Lesen der neuen Folge über den „Idiota austriaca con lagiachetta sicurezza“. Nein! Kein cooler Italiener der im Bereich < 200 km/h fährt, benötigt im Sommer eine lächerliche Sicherheitsausrüstung. Sie machen eben in dieser Zeit wohl keine Unfälle. Nicht anders kann man sich erklären, warum die italienischen Mädels bei 130 Km/h im Stile eines Fleich gewordenen Top Case hinter ihrem "Bello" kleben und diesen auch noch lautstark anfeuern, den Rest der Tieffliegermeute auf ihren Desmosedicis, Fireblades, Ninjas und R1'en zu demütigen. Unfassbar was du da erlebst! Da stockt dir der Atem, wenn sie dich zu Dritt nebeneinander überholen und in den dunklen Tunnel vor dir einfliegen. 

 

Wir erreichen schon bald Mestre und wieder bekommen wir beim ersten Versuch ein schönes Zimmer mit Klimaanlage und wie sich herausstellen wird, einem tollen Frühstück im sonnendurchfluteten, liebevoll bepflanzten Innenhof. 

 

Erfrischen, Innenreinigung der Jacke und mit Short und Shirt über die Brücke nach Venezia. Du fährst einfach hinter dem riesigen Parkhaus vorbei bis zur Haltestelle der Vaporetti, stellst den Roller gratis auf die vorgesehenen Flächen. 

Jetzt enterst du mittels Busboot die Piazza San Marco und nahe liegende Gassen und Plätze. Herrlich, an der Piazza zu sitzen, die Touristen beobachten und Pasta essen. 

 

Oder Pizza Margherita. Spät Abends brechen wir wieder auf und fahren in der kühlen Meeresluft in unser kleines Hotel. Nach dem überreichen Frühstück fühlen wir uns stark genug um Richtung Rimini aufzubrechen. 

 

Unser Navi zeigt uns noch die sehenswerten, mit stinkenden LKW und Bussen verstopften Strassen und Hinterhöfe in der Industriezone von Mestre. Auf die Küstenstrasse fanden wir erst, als ich Hr. Garmin nach dreißig verschwitzten Minuten ein „Arschloch“ nannte, ausschaltete und uns den klassischen, analogen Wegweisern anvertraute. Die Fahrt an der Küstenstrasse Richtung Rimini war traumhaft. Kühlende Meeresluft zur Linken, Schweißtropfen aus dem rechten Ärmel, lachende und mit dem Finger auf uns zeigende Italiener an den Edicoli. 

 

Wir genossen die Fahrt bis Rimini und das gute Mittagessen. Zu meiner „Enttäuschung“ gab es erst am Abend Pizza. Kurz überlegten wir zu warten, entschlossen uns aber doch, mit regionalen Spezialitäten zufrieden zu sein. Matteo formulierte das Tagesziel. „Numana und Sirolo an der Küste nach Ancona“. „Papa da müssen wir heute noch hin“. Er kannte die Orte und das „Hotel Sorriso“, welches ihm noch von einer unserer Auto Reisen in Erinnerung war. Wir fuhren weiter und weiter und weiter und weiter, bis wir nach einer Tagesetappe von 530 km, müde aber glücklich in Numana aufschlugen, das Zimmer bekamen und auf schnellstem Wege unser mürbes Sitzfleisch in die Kiesel bestrandete Adria versenkten. Zisch! Das war wirklich weit und anstrengend. 

 

Besonders, weil wir mit Jeans fuhren, die allerdings an den Kontaktflächen zum Sitz, bei diesen Temperaturen schnell schweißnass werden und unangenehm spannen. Aber unsere Beverly trug uns brav und sicher wohin wir wollten. Auch wenn wir zeitweise mit unserem Navigator nur mittels in die Luft gestrecktem Mittelfinger kommunizierten. Sollte ich mich doch mal mit der Bedienungsanleitung befassen? 

Auf den bequemen und agilen Roller war super Verlass! Matteo erweiterte seinen kulinarischen Erfahrungsschatz in den nun folgenden zwei Ruhetagen. „Die Margherita von heute ist eine Spur besser als die gestrige.“ „Freut mich Matteo, Mahlzeit!“ 

Nach einem reichlichen Frühstück mit Meerblick und überraschendem Preisnachlass in unserer Zimmerrechnung fuhren wir weiter. Der Padrone selbst führt das Hotel SORRISO in Numana und sein Computer erkannte uns als Stammgäste. 40 Euro geschenkt. Einfach so, in Italien…! Er wünschte uns eine gute Fahrt und die hatten wir auch. Es ging über den Apennin nach Perugia. Schmale Strassen führten über Berg und Tal und so manches Mal ritzten wir unsere Signatur in den welligen, aufgerissenen Asphalt. Mit unserem Hauptständer! 

 

Perugia ist ergreifend schön! Der Kontrast von alter, italienischer Kultur und modernen, jungen Menschen fällt sofort ins Auge. Die Geschäfte, die Lokale. Vieles scheint jünger und moderner. Trotz der alten Häuser im historischen Zentrum. Es liegt wohl an der Internationalen Universität und den etwa 6.000 Studenten, welche die Stadt zu normalen Zeiten beleben und mit ihrem Spirit färben. Nach dem Essen gleiten wir durch duftende Landschaften ( Ferrero – Schokoladenfabrik und Maisfelder. Sonnenblumen und Getreide ) nach Castiglione del Lago. Der große Trasimeno See mitten in Italien und darüber thront der historische Ort, erbaut als Festung. 

 

Wir finden den See! Ein Zimmer im ersten Haus unserer Wahl ( EUR 46,- ohne Frühstück ), das Gewand vom Körper gerissen, in der Badehose über die belebte Strasse gesprintet, in das kühle Nass gehechtet. So der Plan! Im Wasser angekommen vermuteten wir uns im Auslauf eines Pissoirs, des streng bewachten, nahen Schwimmbades. Das Wasser war von den Knien bis zu den Zehen undurchschaubar und ehrlich, wir wollten eigentlich auch gar nicht wissen, worauf wir da standen. Ja, es war warm wie ein nicht näher erlärtes Stoffwechsel Endprodukt. Nichts wie raus aus der Kloake und in das einladende Schwimmbad. Aha, deshalb gingen keine Menschen in den See! Wir aber auch nicht in das Schwimmbecken. 

„Nur für Carabinieri“ sagte der strenge, uniformierte Wächter auf italienisch und sein Blick verriet, dass er schon überlegte, uns zur Bekräftigung seiner Worte in wenigstens ein Knie schießen zu wollen. Wir flüchteten in unser Zimmer und kühlten uns in der Dusche ab. War auch erfrischend! Hunger trieb uns in duftiger, wenn auch zerknitterter Sommerkleidung rauf ins Castello. Dieses Gebiet ist bekannt für seine hervorragenden Weine und das köstliche Essen. 

 

"APERTO, al 19:00h" stand an der Türe des besten Ristorante an der Piazza. Wir vertraten uns derweil die Füße und freuten uns über die großartige Aussicht von der Stadtmauer. 

Als uns um 19:01 h der Restaurant Chef mit abschätzendem Blick und hochgeschobener Nase musterte, war es noch nicht sicher, ob wir hier auch Essen dürfen. Offensichtlich traf unser Knitterlook mit Helm, nicht ganz seinen stilsicheren Geschmack. Ein professioneller Blick auf meine Schweizer Marken Uhr, besänftigte ihn dann doch ein Wenig und wir durften sogar in der Speisekarte lesen. Als ich dann, wie ich es gerne tue um mich bei Gastronomen ein zu schleimen,  nach örtlichen Spezialitäten und guten, regionalen Wein nach seinem persönlichen Gusto fragte, stieg unser Status schlagartig in Richtung „Sehr kultivierte, ausländische Gäste welchen man ihre feine Natur beim besten Willen nicht beim ersten Blick ansehen kann“. Das Essen und der Wein waren buonissimo. „Papa, ich muss sagen: „Diese Margherita ist, wenn nicht die Beste, so zumindest gleich gut, wie in unserer geliebten Pizzeria Antonio in Wörgl.“ 

 

Mein Wildschwein in zartbitterer Morchelsauce, ein regionales Gedicht, der empfohlene Wein, Schnalz, gluck ...

 

Wahnsinn! Weißt du wie blöd du schaust wenn du in stockdunkler Nacht an der falschen Seite ( Einbahn ) eines Berges runter fährst und dein Zimmer nicht findest, weil du vor lauter Essgeilheit vergessen hast, dir die Adresse deines Quartieres zu merken? Wenigstens der große, runde Scheinwerfer unseres Rollers ist „molto potente“. Nicht bloß Designelement sondern  ein wahrer Nachterheller vor dem Herrn. Ein dreimal Hoch auf unseren Navigator!

Als ich ihn einschaltete um ihm wenigstens die Himmelsrichtungen zu entlocken, erinnerte er mich daran, dass er ja alle bereits gefahrenen Strassen markiert hat. An dieser Kennzeichnung konnte ich mich nun orientieren und unsere Betten finden. Danke Hr. Garmin, du Freund, wir haben nie an dir gezweifelt! Nie!  

Am folgenden Tag starteten wir früh, um die Kühle des Morgens zu nützen. Frühstücken wollten wir im berühmten Café Nannini in Siena. Die Fahrt war gewohnt problemlos und schön. Die sanften Hügel der Toskana, die malerischen Weingärten und Gutshöfe unter riesigen, Schatten spendenden Platanen. Endlos scheinende Alleen mit schwungvoll zu fahrenden Kurven. 

Die Düfte. Einfach ansichtskartenmäßig schön und beinahe kitschig. Wen wundert es, dass auch Andere, hier einen überraschenden Zwischenstopp einlegten?

Vor uns liegt, auf einem kleinen Berg, Siena. Mit dem Roller so weit als möglich in die Gassen fahren. Vorbei an suchenden, verwirrten Autofahrern und überteuerten Tiefgaragen. Beverly zu seinen Artgenossen stellen, die letzten Meter zu Fuß und schon stehen wir vor dem Elternhaus der explosiv, rockigen Sängerin Gianna und dem ehemals DTM fahrenden Alessandro. 

 

Auffällig fixierte der noch im Standby - Modus befindliche Kellner die Eingangstüre, während wir ihm euphorisch, unsere Vorstellung eines würdigen Frühstückes vortrugen. Offenbar ging er davon aus, dass wir die Vorhut einer Reisegruppe waren und bereits für die Anderen mit bestellten. „Nein guter Mann, da kommt niemand mehr“, gab ich ihm zu verstehen. Er verstand wohl nicht, wie 1,5 Erwachsene in dreißig Minuten, sechsunddreißig Euronen colazionieren können. Der Stadt - Italiener beschränkt sein Frühstück üblicherweise ja auf ein, im Stehen genossenes, Croisant, Cornetto oder einfach nur Pasta genanntes Teig Teilchen und den um diese Zeit obligaten Cappuccino oder Lungo.

 

Erst um etwa 10:00 h kontert man dem aufkommenden Hunger mit einem Tramezzini  oder ähnlichem kleinen Essen. Als "Kaffee" gilt ab dieser Zeit nur noch der von uns so genannte, Espresso oder Ristretto. Also, wenn du dich als ignoranten Ausländer zu erkennen geben willst, bestelle nach dem Essen einen Cappuccino oder, noch schlimmer, einen Caffee latte. Dieser wird in Italien als "Kinder Kaffee" verstanden und nur wegen der Touristen angeboten. Cappuccino wird, wegen seinem hohen Milch Anteil als Nahrungsmittel verstanden. Darum passierte es einem meiner Freunde, im Landesinneren, abseits der Touristenpfade, dass seine Bestellung eines Cappuccino, nach dem guten Essen, einfach mit Ignoranz beantwortet wurde. Wollte der Cretino damit sagen, dass er nicht satt geworden ist?   

 

Bald freuten wir uns über die Schönheit des weißen Domes. Beobachteten das bunte Treiben aus der im Schatten liegenden Seite der Piazza Grande, auf welcher jährlich am 2. Juli und 16. August, der berühmte Palio abgehalten wird. Ein halsbrecherisches Pferderennen bei welchem gesegnete Burschen um die Ehre ihres Bezirkes kämpfen. Oft auch mit schlimmen Folgen für Ross und Reiter. Sagte ich schon, dass es heiß war?

 

Angesichts unseres nachhaltigen Frühstückes, verzichtete Matteo auf die Suche nach einer gustiösen „Pizzerei“ und langsam brachen wir auf, um Beverly die Sporen zu geben. 

Kurve um Kurve um Kurve um Kurve ging es in herrlicher Landschaft durch die südliche Toskana an der Grenze zur Maremma. Durch das Gebiet der Geysire bei Massa Marittima in der Provinz Grosseto, wo hin und wieder, heißes Wasser aus der Strasse oder dem Graben dampft. 

Ach ja! Ein weithin bekanntes Gerücht wollte ich unbedingt noch abschwächen. Die Toskana ist im Sommer nicht generell verbrannt, braun und karg. Was wir im August sahen war größtenteils bunt, duftend und schön. Fröhlich erspähten wir das Thyrrenische Meer. 

 

Genau gesagt, die Bucht von Folonica. Durch lange gepflegte Freundschaften wussten wir auch über unbekannte, schmale Pfade, an kleine Buchten zu kommen die eigentlich nur Einheimische kennen. Diretissima ans Mare und rein ins kühle Nass, an die „Spiace biance“, die „weißen Strände“ wie sie von den Einheimischen genannt werden. Herrlich erfrischend! Keine Quallen, keine Algen, nichts was das Bade Vergnügen trüben wollte. Von der Sonne ermüdet, erreichten wir das Haus unserer Freunde im Zentrum von Piombino. Unser Domizil für die nächsten 7 Tage. 

 

Zur Begrüßung gibt es wie jedes Mal, Anguria. Wir sagen ja Wassermelonen! Nur sind Ihre bis zu 13 Kg schwer, saftig, süß und kosten dreißig Cent pro Kilogramm. Manchmal fühle ich mich schon verarscht, wenn ich in unserem Supermarkt vor dem Obst Regal stehe. Die Anguria genießen wir frisch aus dem Kühlschrank in der großen Küche.

Zentrum bedeutet, Gelächter und Diskussionen auf der Strasse bis 03:00 h. Natürlich in der Nacht! Rrrrumms! Rollläden runter! Zwei Stunden später, Rrruummms! Rollläden rauf. 

„He, Bäcker, alter Saufkopf, deine Croisants werden auch immer kleiner!“ „Macht dir doch nichts aus, kannst ja ohnehin nichts mehr beißen du zahnloser Sack!“ „Ha, ha,ha…“ klingt es aus allen Gassen! Das bedeutet Zentrum! Die Zimmer sind aufgeheizt, die Fenster offen und wir freuen uns immer wieder darauf. Oft lehnen wir am Fenster und genießen „unser Italien“. 

Quietsch! Der Taxifahrer stellt seinen Wagen wie immer quer über den Behinderten Parkplatz und den Zebrastreifen. Er trinkt seinen Cafe im Stehen und balgt, wie jeden Tag, mit dem an der Laterne angebundenen Hund des Bar Besitzers. Der Kaffee kostete nirgends mehr als 90 Cent, obwohl das Wasser in Italien weit teurer ist als bei uns. Vormittags an den Strand, nachmittags Ausflüge in die nähere Umgebung, abends Fiesta in den Gassen und Plätzen der Hafenstadt mit Blick auf die Insel Elba.  

 

Nach einer Woche verabschieden wir uns mit einem romantischen Frühstück in der Bucht von Populonia und folgen der Küstenstrasse Richtung Norden, vorbei an den Luxusstränden von San Vincenzo. Die ligurische Steilküste entlang, fuhren wir zu meiner damaligen Lieblings Strasse. Vorbei an Castiglioncello, Rossignano und Monte Nero, Richtung Livorno. Ich liebe diese Steilküste mit ihrer grandiosen Aussicht auf das offene Mittelmeer und die riesigen Schiffe am Horizont. Die Prachtstrasse direkt an der Küste mit ihren überschwänglichen Luxusvillen aus früher Handelszeit erinnert an den Reichtum der einst in dieser Stadt herrschte. 

 

Sie führt vorbei an der Marine Universität mit ihren stolzen, eleganten Offizieren in ihren weißen Uniformen. 

Weiter entlang der Pferderennbahn und der beeindruckenden Terrazza Mascagni, in den Stadtkern mit dem historischen „Mercato Centrale“. 

Diese Stadt besuchen wir, wie auch unsere Freunde von der freien, christlichen Gemeinde Livorno, bereits seit vielen Jahren und wieder wohnen wir einige Tage bei ihnen und ihrer fleißigen Waschmaschine. 

Es gibt, uns zu Ehren, Wiener Schnitzel. Hier treffen wir auch meine Ehefrau Eva, welche als Fahrschullehrerin und notorische Freizeit - Autoverweigerin, mit dem Zug anreiste. Wir wohnen im siebten Stockwerk eines, am Stadtrand liegenden Hauses, mit Blick über die Stadt, raus auf das Meer. Was soll ich euch da noch sagen? Genießen, Reden, Einkaufen, Essen. Ausflüge in die Märkte und Geschäfte der Stadt. Den Hafen. 

 

Die nahen Strände von Tirrenia, Marina di Pisa und unsere Freunde, veredeln unsere Zeit. 

Ein Tagesausflug führt uns heute zum PIAGGIO Museum in Pontedera, östlich von Pisa. 

Beeindruckt bestaunten wir Vespa und Gilera Modelle aller Generationen. Sonderfahrzeuge. Hochgeschwindigkeitsmodelle. Künstlerische Interpretationen. Die Geschichte von Piaggio und Gilera mit zahlreichen historischen Motorrädern. Züge und Flugzeugen. Zeugen frühester Kompetenz der Firma Piaggio. Und das Alles, in den ehrwürdigen Gemäuern der Firmengründung. Beeindruckend! Ohne Eintritt bezahlen zu müssen!  

 

Pizza Margeritha in Pisa. Certo! Der schiefe Turm, eh klar! 

 

Meine bevorzugten Plätze in Pisa sind aber nicht die „Piazza Miracoli“ sondern die Einkaufstrassen die rechts und links der Arno – Brücken durch die Stadt führen. Mit ihren kleinen schattigen Plätzen, verschlafenen Gassen und Einheimischen Lokalen. Kleinen Plätzen, Park's. Einfach nur schön!

 

Entlang des linken Arno – Ufers führt die Strasse Richtung Westen, raus aus der Stadt, an den Marina di Pisa und das offene, ligurische Meer mit seinen, für diese Gegend bekannten, ungestümen Wellen und Fischerhäusern. 

 

 

Durch Tirrenia geht es wieder rauf nach Livorno, wo wir noch einige Tage dahin sinnieren. Abendliches Grillen im Olivenhain meiner Freunde direkt an den Mauern des Naturhistorischen Museums in Calci. Warum dieser Ort in die deutsche Sprache "Fußtritt" heißt? So genau wollte ich das nicht ergründen. Noch ein Besuch in der Familie eines Freundes, einem begnadeten Kunst Maler und Menschenfreund. Essen, reden, trinken, reden… Sagte ich schon Essen?  Langsam wird es Zeit, Richtung Heimat aufzubrechen. Aber wo ist Heimat? Dort, wo man sich nicht erklären muss? 

 

Am folgenden Montag ging es über Pisa und Florenz nach Prato und der Apennin wurde ein weiteres Mal erklommen. Wieder war es eine wunderschöne Fahrt mit sehr interessantem Ziel. Sinnlich angelegte Kurven luden zum stundenlangen Schwingen ein und Mittags gab es Pizza Margeritha in Maranello. Noch das Ferrari – Werk und Museum umrundet und weiter ging die Reise durch die Agrarlandschaft der Po – Ebene. Schmale Strassen, angenehme Atmosphäre, große Hitze. 

 

Verona wurde erreicht und schnell ein Hotel in der historischen Altstadt gefunden. Roller auf die Gasse, Dusche aktiviert, kurz ausgeruht und ab in das Gewusel. Prunkvolle Geschäfte. Von Armani über Borsalino bis Zegna. Alles was du dir meist nicht leisten kannst. Pizza Margherita und Involtini Limone, ein schöner Chianti, Flanieren.

In Strassencaffees entlang der Arena sitzen und die Stimmung aufsaugen, welche schon meinen Lieblingskomponisten, den Verdi Giuseppe, inspirierte. Verona verstehe ich als Tor nach Italien und im Norden dahinter liegt Südtirol, welches laut Aussage der Einheimischen „…nicht Italien ist!“  Und so empfindet man das auch spirituell und kulturell. Ich fühle mich sehr wohl in Italien. Die Menschen, Geschäfte, Restaurant's. Man taucht ein in Geschichte und Tradition. In Gefühl und Leidenschaft. 

Nach feudalem Frühstück ging es auf die letzte Etappe. Immer der SS12 folgend schnurrte mein treuer Roller unbeeindruckt seiner Last und Leistung der letzten drei Wochen, Richtung Brenner. Hier stoße ich auch wieder vermehrt auf Motorradausflügler die in unterschiedlichen Gruppen einluden, sich ihnen anzuschließen. Die 40 PS meines Beverly reichten dafür allemal. Auch diese SS12 hat ihre besonderen Reize und verführt zur Einen oder Anderen Rast. Weingärten, Burgen, historische Städtchen. Am Horizont tauchen die ersten Berge auf. 

 

Viel gibt es zu bewundern um die Heimfahrt hinaus zu schieben. Auch der Ort Neumarkt, mit seinem imposanten historischen Ortskern, ist einen Besuch wert. Füße vertreten und ausschütteln, regionales, bodenständiges Essen. „Pizza gibt es wieder erst am Abend.“ Gegenüber dem Haus, in welchem unser heldenhaft selbst überschätzter Hofer Andreas, seiner unangenehmen Hinrichtung in Mantua harrte. Weiter durch Trento, Bozen und Sterzing  ( jede dieser Städte ist durchaus einen Besuch wert ) ging es dann über die gut ausgebaute und streng bewachte Brenner Bundesstrasse nach Tirol. Auf meiner ganzen Reise sah ich nicht so viele Polizisten wie auf der Fahrt über den Brenner. Runter nach Innsbruck und auf der B171 durch Hall, Wattens und Schwaz, Richtung Osten. 

 

Zu hause angelangt tätschelte ich meinem Roller liebevoll die Flanke. 3.684 Kilometer Gesamtstrecke und das ohne Autobahn. „Gut gemacht Schwarzer. Respekt!“.  

 

Die Anmerkung meiner lieben Frau: „Euer Gesamtgewicht scheint offensichtlich doch sehr gestiegen“, verstand ich nicht.  

 

Ach ja, noch was. Wenn die hübsche, italienische Kellnerin an der Strandbar „mi dica“ zu dir sagt, meint sie nicht „mein Dickerchen“!