Am Nachmittag erreichen wir Bonifacio, ganz unten im Süden Korsikas. 12 Kilometer nördlich von Sardinien.

 

 Auch diese Stadt mit ihren gerade mal dreitausend Einwohnern teilt sich in eine Oberstadt, die historische Altstadt, welche auf der Seeseite gut siebzig Meter steil abfällt und die Marina zu ihren Füßen. Diese liegt eingebettet in wohl in einem der schönsten Naturhäfen welche ich im Süden Europas gesehen habe. Wie in einem kleinen Fjord. 

 

 Hier unten drängen sich Luxusjachten mit 10 Mann Besatzung. Mit Beibooten verschiedener Motorisierungen, Wasser und Strassen Scooter, Carbon Fahrrädern und einem bescheidenen Smart, welcher mittels eigenem Kran herab gelassen wird.

Alle Fahrzeuge stehen exakt ausgerichtet vor der Gangway oder wie das heißt. Natürlich alle gleich designed wie die Jacht selbst. Auch die Crew ist gleich durchgestylt und wuselt emsig rum. 

Die Sicherheitsleute, im kleinen Schwarzen.

Daneben, Normaljachtbesitzer welche ihren Kahn selbst putzen müssen. Vom Sport Katamaran bis zum Schnellboot. Von der Motorjacht bis zum Dreimaster. Alles kann hier barrierefrei bewundert werden. 

 

Direkt daneben, die Restaurant's. Die mit der Fischsuppe um € 60,- und die mit der € 8,- Pizza für die Selbstputzer. 

Erst wollen wir aber den Campingplatz finden. Diesen hat uns ein Biker in Calvi empfohlen und das war gut so.

Der Platz liegt 5 Gehminuten vom Hafen entfernt in einer kleinen "Schlucht". 

Windgeschützt und schattig. Die Zeltplätze sind als Terassen angelegt und bieten ausreichend Platz. Schnell lernt man Menschen kennen welche Ratschläge geben können. Waschmaschine, Geschäfte, gute Restaurant's. 

Bald wissen wir Bescheid und freuen uns auf die Jause, welche wir während einer Anfahrtspause bunkerten. Natürlich hatten wir, hungrig wie wir waren, zu viel. Viel zu viel! Aber erfahrungsgemäß finden sich auf Campingplätzen bald willkommene "Mitesser". 

Ein müder Nachbar bekommt von unserem Zeltbau nichts mit. 

Ein freundlicher Italiener beendet mit seiner Tochter gerade eine Tagestour und erklärt uns den Hausbrauch am Platz. Sie sind schon zwei Wochen unterwegs und bald geht es wieder nach hause zur Mamma. 

 

Das erinnert mich stark an die Zeit, als unser Sohn auch noch klein war. Auch wir machten regelmäßig Vater / Sohn Urlaube. Einfach mal eine Woche weg. Mit Auto, mit Bahn. Das war immer spannend und eine ganz besonders wertvolle Zeit. Intensiv und schön. 

 

Mutti konnte daheim relaxen oder sich einfach mal nur um sich selbst kümmern. 

Noch immer pflegen wir diese Kultur egoistisch. Die jährliche Vater / Sohn Motorradtour ist fixer Bestandteil der Motorradsaison. Ja, er ist ein guter, verlässlicher Motorradfahrer und es macht Spaß, gemeinsam durch die Geschichte zu rollen. 

 

Hier wurde eine kleine Jause gebunkert. Solche Läden findest du auf Korsika leicht. Typisch korsische Spezialitäten aus Schwein, Schaf und Ziege. Die Kühe finden sie ja nie pünktlich zum Schlachten.

Oft haben Supermärkte auch eigene Abteile mit Spezialitäten aus Korsika. Wein, Käse, Würste, Gemüse, ...

 

Bald ist der Tisch gedeckt und während die brave Waschmaschine unsere Wäsche fein macht, genießen wir die regionalen Gaumenfreuden. Mit einer kleinen Einschränkung. 

Diese harmlos aussehenden grünen Paprika links im Bild. "Bist du deppert waren die scharf"!

Wohl auch wegen meiner ungarischen Wurzeln kann ich scharf, ganz gut. Auch richtig scharf. Aber das hier?

Zweimal kräftig abgebissen und ich musste aufgeben. Den schaffte ich nicht. 

Gerne und nicht ganz ohne Vorfreude, luden wir weitere Zeltnachbarn zur Kennenlern Jause ein.

Ein Motorradpärchen aus der Nähe von Leibzig und zwei Freunde in einem alten VW Kastenwagen. Einer aus Bayern, der Andere, mit rasierter Frisur,  aus Kiel.

Denen sah man schnell an, dass sie einer qualitativen "Brotzeit" gerne zustimmen werden. So schnell lernt man auf Campingplätzen Menschen kennen.  

Irgendwie traute der Kieler dem Paprika-Frieden nicht. "Die sind doch sicher scharf, oder?" 

"Was denn jetzt, bist doch wohl kein Mädchen", sprach ich und sah ihn bescheiden an. Dann biss er zu.

 

Ich kann euch nicht sagen wie unterhaltsam der Abend noch wurde. Immer wieder krümmten wir uns unter Lachen wenn wir an die Schweißpfützen auf seiner Glatze dachten. 

Wir feierten noch lange und schliefen tief in den nächsten Vormittag. 

Als unsere Wäsche trocken war, wanderten wir raus. Wir wollen das Gelände, rund um die Stadt erkunden. 

Galt es doch, den südlichsten Punkt Korsikas zu betreten. Das gehört sich dort so. 

Es duftet nach Kräutern und Gras. Der Wind bringt allerdings keine Abkühlung. Die Wanderwege durch das oft stachelige Gestrüpp führen raus an die steil abfallende Kalksteinküste. 

Da drüben grüßt schon der Leutturm rüber. Dort ist der südlichste Punkt der Insel. 

Der Kalkstein sieht aus, als ob er jederzeit unter dir weg brechen könnte. Besonders und schön. 

So ganz anders als im felsigen Westen oder Norden. Angeblich waren Sardinien und Korsika einst eine gemeinsame Insel welche "abgebrochen" war und auseinanderdriftete. Uns war es egal.

Ein schmaler Steig führt runter an das kühle, saubere Wasser. Noch ein wenig erfrischen.

Dann ging es zurück zum Zelt. Nach dem Duschen und der Abendtoilette wurde ich noch mal intensiv an das feine, gestrige Abendessen erinnert. Ja, der Paprika machte auch heute noch auf sich aufmerksam. Deutlich!

 

Jetzt geht es aber los. Wir wollen die Oberstadt erobern.

Dieses leerstehende, ehemalige Amtsgebäude soll, nach dem Willen der Oberen, weggerissen werden. Das fanden regionale Künstler schade und zierten die Fenster mit Portraits von Menschen, welche wunderbar in dem großen Haus Platz finden könnten. Mir gefiel die Idee sehr. 

Mancher Blick verrät dir, dass die Stadt auch schon vor ihrer Tourismus Hochblüte, wohlhabende Menschen beherbergte. Auch kunstvolle Arbeiten an Häusern geben Zeugnis davon. 

 

Wir wanderten allerdings erstmal raus an den Sadtrand. Teilweise entlang der brusthohen Mauer über dem Abgrund, teilweise in der zur wehrhaften Stadtmauer ausgebauten Anlage. Auf Stufen welche hin und her führten. Rauf und runter. Dann plötzlich in andere Mauerbauten abzweigten und aus Löchern überraschende Aussichten schenkten. 

Dann zog es uns rein, in die Stadt.

Diese wurde in ihrer Geschichte immer weiter zur Festung erweitert und durch hohe Mauern und eine Zugbrücke gesichert. Südlich, zur Meerseite hin, wurde der Kalksein immer weiter ausgewaschen. Die Häuser am Stadtrand stehen praktisch über dem Abgrund. Darunter Höhlen und beliebte Grotten welche gerne von den Einheimischen besucht werden. 

Die Menschen, besonders die Frauen, waren freundlich und kontaktfreudig. Die Männer hingegen vermittelten den Eindruck, dass sie nichts am Hut hatten mit Touristen.

 

Beeindruckend war allerdings die Gelassenheit welche sie an den Tag legten. In den schmalen Gasen war es unmöglich zu überholen. Das hinderte sie aber nicht, gemütliche Gespräche zu führen. Aus dem Auto raus, in das Auto rein. Dahinter wurde ruhig gewartet. Irgendwann ging es wieder ein paar Meter weiter.

 

Jemand bleibt vor einem der vielen Geschäfte stehen, steigt aus, trägt etwas rein, erledigt Formalitäten, spricht noch mit Leuten und fährt danach gemütlich weiter. Zwei Autos hinter ihm wartet Einer bis er am Nachbar Geschäft stehen bleibt, aussteigt und das selbe Prozedere wiederholt. Die Idee, gleichzeitig mit seinem Vordermann hin zu gehen? Egal. Alle Anderen dahinter, warten gelassen.

Dann stolperten wir in das Schlaraffenland!

Denn dieses Restaurant auf eine "Gute Adresse" zu reduzieren, würde ihm keinesfalls gerecht werden. 

Aus Platzmangel musste der fleißige Besitzer einfach alle möglichen Räume in der nahen Umgebung zusammenkaufen. Ein Speisesaal in der Hausnummer 7, Die Küche des französischen Restaurantes, Nr. 9, Die dazugehörigen Gasträume und die Terrasse in der Hausnummer 11. Die Pizzeriaküche schräg gegenüber, getrennt durch die schmale Fahrspur. Zwei Häuser weiter, die Gasträume der Pizzeria. Sowas habe ich noch nicht gesehen. Und, die Tische waren voll! Ohne Reservierung bekamst du kaum Platz. So beliebt war das "Haus". Ausnahmsweise durften wir uns noch an ein kleines Seitentischchen neben der Fahrbahn drängen. Direkt neben dem Chef. 

Der saß fröhlich pfeifend auf seinem Stuhl, direkt auf der steilen Fahrspur und musste jedes Mal aufstehen und den passierenden Autos Platz machen. Allerdings nicht, ohne mit den Insassen über die interessanten Tagesaktualitäten zu sprechen. Grüße mit zu senden und freundlich zu sein.  Einfach nur so. Weil er es schätzt. 

 

In gleicher Weise behandelte er sein Personal. Freundlich, hilfsbereit, immer ein Lächeln spendend. Schnell zur Hand gehen. Den Tisch abräumen und neu schmücken. Wo ausser hier, sah ich den Chef mit seinem Pizzakoch auf der Gasse stehen und freundlich über Gott und die Welt zu plaudern? Beide ein Glas Wein in der Hand und der Pizzakoch raucht dabei seine Pausen Zigarette. Und das, während das Lokal brummt. Jeder Tisch besetzt ist. 

Nach der Pause trollte sich der Koch wieder an seinen Ofen und der Chef blockierte weiterhin den Verkehr. 

Kein Problem für die Autofahrer. Man kannte sich ja . 

Als wir die griechische Saison-Kellnerin fragten ob der immer so freundlich zu seinen Angestellten ist, bestätigte sie das gerne. Sie sagte, dass er seinen Betrieb wie eine Familie führt. Natürlich gab Jeder sein Bestes. Harte Arbeit, aber menschlich gemeistert. 

Das und der Inhalt der Speisekarte beeindruckte uns so sehr, dass wir gleich einen schönen Terassentisch reservierten. Für 18:00 Uhr. An den nächsten drei Abenden. 

Lamm an regionalem Gemüse, Kartöffelchen und Kastanienhonig Sauce. 

Das berühmte korsische Wildschwein an Polenta und leichter Rotweinsauce.

 

Diese Hausschweine wurden vor langer Zeit in großer Zahl ausgewildert und fristen ihr Leben nun völlig frei und wild in den Wäldern und Feldern des korsischen Zentralmassives. Dort ernähren sie sich hauptsächlich von den inseltypischen Kastanien, Kräutern und Brotzeiten unvorsichtiger Pikniker, welche sie Denen mutig und rücksichtslos abringen. Ein Bekannter erzählte mir einmal von so einem Sau Angriff. Er konnte gerade noch seinen kleinen Hund und seine Freundin in das Auto retten. Das vorbereitete Essen musste er aber den furchttlosen  Schweinen überlassen. Zum Dank zerkratzten sie ihm dann noch die Autotüre.

Ständiges Suchen nach Nahrung und ausreichend Bewegung gibt ein mageres, sportliches Schweinderl. Was denkst du, wie dieses Fleisch schmeckt?

Miesmuscheln auf Bonifacio Art mit Käse und pikanter Kräuter Sauce. 

 

Natürlich genossen wir die besten regionalen und französischen Weine. Natürlich mit würdiger Umrahmung von Aperitiv, Vorspeise, Dessert und Schnäpschen zum Magen einränken. Noch ein wenig Käse? Gerne!

Natürlich nicht unter € 120,- Euretten für 2 Personen. Aber ich sage euch ehrlich, das war jeden Cent wert. 

Wir freuten uns schon jedes Mal auf den nächsten Abend. Äh, excusez - moi, où sont les toilettes? 

"Da hinten, drei Häuser weiter oben. Hausnummer 13. Im 2. Stock.

Merci bonne soirée! 

Blick auf den abendlichen Hafen.

Blick auf die mittägliche Möwe.

Blick auf das, eine Fährstunde entfernte, Sardinien. 

 

Nach 4 Tagen, mit kurzen Mopedausflügen in das kurvige Hinterland und 3 Kilo mehr auf den Rippen, müssen wir unser Zelt abbrechen. Es geht Richtung Heimat. 

 

Entlang der Insel Ostseite rollen wir auf der Bundesstrasse auf schnellste Art nach Bastia. 

Für die letzten zwei Nächte entscheiden wir uns für einen Campingplatz westlich der Stadt. Noch zweimal Schlafen gehen. 

 

Auch hier lernen wir interessante Menschen kennen. 

Eine junge deutsche Familie mit Baby und tollem Bulli. Einen Holländer mit Harley der gerne auch mal eine leckere Runde mit dem Fahrrad fährt.

 

Zwei Schwestern welche sich gemeinsam über den GR20, den angeblich härtesten Fernwanderweg Europas schunden. Der führt über die ganze Längsseite der Insel. Allerdings in der gebirgigen Inselmitte! 

Das verlangte den sympathischen Schwestern aus Stuttgart Alles ab. Wir beobachteten sie beim zusammenkratzen ihrer letzten Nahrungsresten und körperlichen Reserven. Gerne luden wir sie zu einer würdigen Urlaub - Abschluss Pizza ein und feierten noch vergnügt in die Nacht. 

Am nächsten Tag zogen sie per Flugzeug- und wir per Fähre Richtung Alltag. Wir haben uns bis heute nicht aus den Augen verloren.

Die Fähre nach Livorno bot auf Deck einigen Platz für Touristen.

Aber auch würdigen Platz für mich.

 

Eva entdeckte auf dem Schiffsplan das Besatzungs Deck. Dort verbrachte die Crew ihre Rauchpausen und ich war ihnen völlig egal. Noch zwei Stunden Schlaf und wir fahren in Livorno von Bord. 

Danach, flotte, unkommentierte Heimreise. 

 

Ja schön ist sie, die Insel. Sehr schön und für Mopedfahrer wohl eines der oftgelobten Paradiese. 

 

Ach ja, es ist mir nach langwieriger Suche und harter archäologischer Arbeit tatsächlich gelungen einen Mythos zu bestätigen.

Ja, in den verlassenen Grotten von Bonifacio fand ich wirklich das Bild der geraubten Geliebten!

Also ehrlich, für diese anmutige Schönheit würde ich Jedem den Kopf abhacken.